Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (23. April 2017)
 
Männer, Bärte und Raketen
 

   Der Mann als solcher erlebte in dieser Woche eine mit allen Elementen des Dramas und der Komödie versehene Wiedergeburt. Oft genug gedemütigt, im Haushalt domestiziert, im Sport von drahtigen Frauen abgehängt, in der Arbeitswelt von Teamleiterinnen und Controllerinnen nackt ausgezogen und zur Effizienz geprügelt, gab es jetzt für ihn ein Aufatmen. In Deutschland drehten sich Männer tänzerisch vor dem Spiegel, blähten sich auf, schoben das Kinn vor und nahmen die Parade imaginierter Bewunderer ab, die sich vor ihrem Mehrfamilienhaus zusammengerottet hatten.



   Es bedurfte eines Impulses von aussen, um jene maskulinen Urinstinkte wiederzubeleben, die den Mann jahrtausendelang befähigt hatten, Technologie, Fortpflanzung und die individuelle Mobilität in einem Geländewagen gegen alle Widerstände der Vernunft, Humanität und gelassener Weitsicht durchzustezen. Dieser Impuls kam aus Ankara, wo sich ein gross karriertes Sakko von den begeisterten Untertanen in alle noch freien Posten des Staates tragen liess und künftig die Ämter des Kommandeurs der Janitscharen, des obersten Suppenverteilers, des grossherrschlichen Leibgardisten der Gärten und Paläste, des Kanzleiführers, Vorkosters, Grosswesirs und Paschas in Personalunion vereint.

   Seit diesem Tag kultivieren sich auch deutsche Männer statt des modischen Vollbarts einen gebürsteten osmanisierten Oberlippenbart und suchen in den Secondhandshops verzweifelt nach Strickjacken aus den Schneidereien rund um Izmir. Zu Hause lassen sie sich von ihrer Frau zur Begrüssung die Hand küssen, versetzen den Kindern als Morgengruss eine Ohrfeige (die sogenannte osmanische Schelle) und trinken Tee im neonbeleuchteten Wohnzimmer.



   Diese Selbsterneuerung wurde zusätzlich genährt durch das Wetterleuchten in einem asiatischen Staat, in dem die Sonne nie aufgeht. Der dortige Führer, ein glattpolierter Chinakohl, spielt wie jeder normale Jugendliche am liebsten mit Raketen, die er in staccatohafter Frequenz von seinem Bett aus abfeuert. Sein Land gilt als Leuchtturm der schöpferisch-spielerischen Zerstörung. Zuletzt sah man ihn, dessen Backen leuchteten wie frisch bemalte Ostereier, auf einer mit rund 500 Mann Besatzung bewehrten Grossrakete in den Himmel aufsteigen. Seine Spur verlor sich daraufhin, doch in der Kapitale des Landes steht bereits ein Nachfolger bereit. Er glänzt und patscht in die Hände wie das Original und fährt in einem Panzerzug vom Typ "Morgenröte über dem blühenden Reisfeld" durch das Land. Im Gegensatz zu seinem türkischen Pedant ist er immer für einen Scherz zu haben - erst recht, wenn er tötliche Folgen für einen Untertanen hat. Ob sich der deutsche Mann eher nach Anatolien oder nach Asien orientieren wird, ist aber noch offen.

 

Zurück