Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (26. März 2017)
 
Der Duft der grossen, weiten Welt
 

   Die Politik, so hört man immer wieder beim Friseur, sei zu abgehoben, sie kümmere sich nicht um die eigentlichen Belange der Menschen. Aber was, wenn sie, die Politik, mal versucht, den Menschen auf Augenhöhe zu begegnen? Dann ist es auch wieder nicht recht.



   Ein schönes Beispiel, wie undankbar das Volk sein kann, musste diese Woche das in Stuttgart ansässige baden-württembergische Verkehrsministerium am eigenen Leib erfahren. Im Zusammenhang mit einem Fahrverbot an Feinstaubtagen in der Landeshauptstadt stellte das Ministerium auf seiner Homepage klar, dass "Fahrzeuge, die nicht die aktuellste Abgasnorm einhalten", deshalb "nicht entwertet" seien. Man könnte diese Autos beispielsweise auch an Menschen veräussern, wo die Luft nicht ganz so dick wie am Stuttgarter Neckartor, also an Autofahrer in den neuen Bundesländern oder nach Nordbaden und Südwürttemberg.

   Gut gemeint, aber da hatte das Verkehrsministerium die Rechnung ohne die Menschen in den neuen Bundesländern, Nordbaden und Südwürttemberg gemacht. In besagten Ländern kam es spontan zu Schweigestaus, weil man sich mit Dritte-Welt-Ländern gleichgesetzt fühlte. Aus ländlichen Gegenden verlautete, dass dort die Dorfjugend mit angezogener Handbremse und Vollgas gegen das Diktat aus Stuttgart zu Felde zog ("Burn-out gegen Rassismus").

   Auch im Landtag zu Stuttgart regte sich heftiger Widerstand. SPD-Fraktionschef Andreas Storch sprach von "geradezu menschenverachtenden Zügen" und meinte damit ausnahmsweise mal nicht die Deutsche Bahn. Eine geplante Menschenkette, die von der Ostsee bis an den Bodensee reichen sollte, kam nur mangels Teilnehmer nicht zustande.



   So undankbar sich jetzt das Volk in Teilen gezeigt hat, auch das Ministerium ist nicht frei von Schuld. Hatte es sich doch mit dem Hinweis im Netz auf eine Stufe mit Gebrauchtwagenhändlern gestellt. Dabei weiss doch jedes Schulkind, dass deren Sympatiepunkte bei Umfragen noch unter denen von Journalisten und Politikern liegen.

   Etwas psychologisches Fingerspitzengefühl und Grundkenntnisse aus der Zigarettenreklame der sechziger Jahre (Peter Stuyvesant) und Minister Hermann und die Seinen wären gefeiert worden. Warum, so fragt man sich, hat das Ministerium auf seiner Homepage nicht deutlich gemacht, dass es nicht darum gehe, den Menschen in Freiburg, Mannheim und Dresden ausrangierte Stinkmöhren aus Stuttgart anzudrehen? Sinn und Zweck der Aktion sei einzig und allein gewesen, Autohaltern die Möglichkeit zu eröffnen, günstige, leistungsstarke Dieselfahrzeuge mit geringen Laufleistungen zu erwerben, auf dass endlich auch in den neuen Bundesländern, in Nordbaden und auch in Südwürttemberg "der Duft der grossen, weiten Welt" einziehe.

 

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