In der Küche haben wir auf
der Spüle so ein kleines Eimerchen stehen. Für Biomüll. Wenn
ich also eine Zwiebel schäle, müsste ich eigentlich nur kurz
den Deckel vom Eimer nehmen, um die Reste zu entsorgen. Meine
Frau benützt den Deckel aber regelmässig als Ablage. Für schmutzige
Löffel, damit die Spüle nicht dreckig wird. Ich muss also immer
erst den Löffel vom Deckel nehmen, bevor ich an das Eimerchen
herankomme. Das macht mich wahnsinig, ich schwör's.
Ich
bin bald 18 Jahre mit dieser Frau verheiratet. Sie hat so einen
Fimmel. Alles muss immer aufgeräumt und sauber sein. Deshalb
liegt der Löffel auf dem Eimerchen und die Zahnpastatube steckt
im Zahnputzbecher. Ich muss die Tube immer mühsam herauspulen,
bevor ich mir die Zähne putzen kann.

Am
kommenden Dienstag ist Valentinstag, der Tag der Liebenden.
Dies hier ist mein Beitrag dazu. Sollten meine Frau und ich
eines Tages vor dem Scheidungsrichter stehen, werde ich von
dem Löffel erzählen und von der Zahnpastatube, und meine Frau
wird mit dem Türgriff der Balkontür kontern, den ich nie, aber
auch nie ordentlich zumache. Immer ist der Türgriff schräg,
und immer sind die Fingerabdrücke auf dem Glas, weil ich die
Balkontür nie am Griff anfasse. Das macht sie wahnsinnig, ich
weiss.
Ich will aber gar nicht vor
dem Scheidungsrichter stehen, deshalb gebe ich mir wirklich
viel Mühe. Der Türgriff steht nicht mehr so schräg wie früher.
Nur noch vielleicht ein bisschen schräg ab und zu. In 18 Ehejahren
habe ich meiner Frau zuliebe so viele Verhaltungsweisen aufgegeben
- ich kann mich an die meisten schon gar nicht mehr erinnern.
Mit Strassenschuhen in die Wohnung - das war einmal. Einfach
aus der Dusche steigen, ohne die Fliesen trocken zu reiben -
heute undenkbar. Vom Pinkeln im Stehen will ich gar nicht reden.
Kürzlich habe ich das mit dem Löffel auf dem Eimerchen angesprochen.
Dass mich das wahnsinnig macht. Es war ein grosser, bewegener
Moment. Meine Frau zeigte sich überraschend einsichtig. Künftig
werde sie keinen Löffel mehr auf das Eimerchen legen, versprach
sie.

Ihr
Versprechen hielt ein oder zwei Tage lang. Da lag tatsächlich
kein Löffel mehr auf dem Eimerchen. Das ist wahre Liebe, ihr
frisch verliebten Herzchen!
Gut, nach
ein paar Tagen schlich sich bei ihr die alte Gewohnheit wieder
ein, aber immerhin in abgeschwächter Form. Es lag kein Esslöffel
mehr auf dem Eimerchen, sondern ein Espressolöffel.
Menschen
kann man nicht komplett ändern. Liebe ist, wenn man aus einem
grossen Problem ein etwas kleineres macht. Wenn man sich wenigstens
Mühe gibt und auf den anderen zugeht. Mit anderen Worten: Liebe
ist ein Löffelchen.
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