Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (29. Januar 2017)
 
Er schläft! Nicht wecken, bitte.
 

   Deutschland stand still in dieser Woche. General Winter, um ein altes Wort aus der Landsersprache zu bemühen, hatte das Land fest im Griff. Ausgemergelte Autobatterien jammerten, Schneeschippen kratzten nadelscharf über die Bürgersteige, in den Strassenbahnen prügelten sich Reisende um den Platz an der Heizung. In den Skigebieten schaukelten Massen von Touristen wie faule Pflaumen in den Liften und die Chirurgen operierten wie damals an der Ostfront. Wer konnte, der richtete daheim auf dem Sofa Kissentrutzburgen gegen die eisige Aussenwelt auf und sah der Partnerin beim Anprobieren der neuen Dessous zu.



   Nur aus dem Zentrum der Supermacht jenseits des Atlantiks stiegen feuchtwarme Dampfwolken auf. Der neue Herrscher strahlte eine so animalisch-brünstige Abwärme aus, dass sich über der Hauptstadt monsumartiger Regen ergoss, der sich mit den Tränen der Gegendemonstranten mischte. Die alte Nachkriegsordnung, hiess es, sei endgültig passé, sei praktisch aufgetaut und weggespült worden. Doch was kommt nun? Eine orangefarbene Toupet-Revolution? Das Sternbild der grossen Pussy? Eine neue Hochblüte des Chevroletismus?

   Nun, zunächst deuten die Signale auf eine Riesenparty hin. Auf den Spielplätzen der internationalen Politik krachen Sandschaufeln, gross wie Strassenlaternen, auf die Köpfe der Kontrahenten, Plastikgabeln kratzen über die Gesichter, Gesundheitsschuhe zertrümmern gegnerische Milchzähne. Grösse zählt wieder und das Prinzip des Erstschlags. Erst wenn alles zerhauen ist und blutet, wenn Beleidigungen zur Neige gehen und der Atem rasselt, wird verhandelt und wieder aufgebaut, werden Gummibärchen und Brausebonbons getauscht, blüht der Freihandel. Der ewige Zyklus der Geschichte.



   Doch noch sind wir nicht so weit. Bei der Amtseinführung des neuen Chefs sang ein Presbyterianer-Chor (oder waren es Prämonstranenser? Präraffaeliten?) so nervenzerfetzend, dass schon die Drohung, ihn auf Tournee nach Russland zu schicken, Putin zum Rückzug von der Krim zwang - ein erster spektakulärer Erfolg für die neue Adminstration. Emotionaler Höhepunkt war der hingehauchte Wangenkuss der scheidenden First Lady auf die rosige Wange des neuen Präsidenten. Dieser Kuss war eisiger als der kälteste Frost und erinnerte an die Schlusszeile einer Arie aus Purcells Oper "King Arthur": "Let me freeze again to death".

   Europa friert also weiter und erwartet jeden Mittag die Twitter-Raketen des Präsidenten. Kaum steigen die ersten 140 Zeichen auf, zieht der ganze Kontinent den Kopf ein. Erleichterung dagegen, wenn es heisst, der Mann im Weissen Haus sei friedlich eingeschlafen. Europa hofft auf lange Nachtruhe und sehnt sich nach einem Erwachen ohne Eisblumen auf Herzen und Fenstern. Doch das kann dauern.

 

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