Deutschland stand still
in dieser Woche. General Winter, um ein altes Wort aus der Landsersprache
zu bemühen, hatte das Land fest im Griff. Ausgemergelte Autobatterien
jammerten, Schneeschippen kratzten nadelscharf über die Bürgersteige,
in den Strassenbahnen prügelten sich Reisende um den Platz an
der Heizung. In den Skigebieten schaukelten Massen von Touristen
wie faule Pflaumen in den Liften und die Chirurgen operierten
wie damals an der Ostfront. Wer konnte, der richtete daheim
auf dem Sofa Kissentrutzburgen gegen die eisige Aussenwelt auf
und sah der Partnerin beim Anprobieren der neuen Dessous zu.

Nur
aus dem Zentrum der Supermacht jenseits des Atlantiks stiegen
feuchtwarme Dampfwolken auf. Der neue Herrscher strahlte eine
so animalisch-brünstige Abwärme aus, dass sich über der Hauptstadt
monsumartiger Regen ergoss, der sich mit den Tränen der Gegendemonstranten
mischte. Die alte Nachkriegsordnung, hiess es, sei endgültig
passé, sei praktisch aufgetaut und weggespült worden. Doch was
kommt nun? Eine orangefarbene Toupet-Revolution? Das Sternbild
der grossen Pussy? Eine neue Hochblüte des Chevroletismus?
Nun,
zunächst deuten die Signale auf eine Riesenparty hin. Auf den
Spielplätzen der internationalen Politik krachen Sandschaufeln,
gross wie Strassenlaternen, auf die Köpfe der Kontrahenten,
Plastikgabeln kratzen über die Gesichter, Gesundheitsschuhe
zertrümmern gegnerische Milchzähne. Grösse zählt wieder und
das Prinzip des Erstschlags. Erst wenn alles zerhauen ist und
blutet, wenn Beleidigungen zur Neige gehen und der Atem rasselt,
wird verhandelt und wieder aufgebaut, werden Gummibärchen und
Brausebonbons getauscht, blüht der Freihandel. Der ewige Zyklus
der Geschichte.

Doch
noch sind wir nicht so weit. Bei der Amtseinführung des neuen
Chefs sang ein Presbyterianer-Chor (oder waren es Prämonstranenser?
Präraffaeliten?) so nervenzerfetzend, dass schon die Drohung,
ihn auf Tournee nach Russland zu schicken, Putin zum Rückzug
von der Krim zwang - ein erster spektakulärer Erfolg für die
neue Adminstration. Emotionaler Höhepunkt war der hingehauchte
Wangenkuss der scheidenden First Lady auf die rosige Wange des
neuen Präsidenten. Dieser Kuss war eisiger als der kälteste
Frost und erinnerte an die Schlusszeile einer Arie aus Purcells
Oper "King Arthur": "Let me freeze again to death".
Europa
friert also weiter und erwartet jeden Mittag die Twitter-Raketen
des Präsidenten. Kaum steigen die ersten 140 Zeichen auf, zieht
der ganze Kontinent den Kopf ein. Erleichterung dagegen, wenn
es heisst, der Mann im Weissen Haus sei friedlich eingeschlafen.
Europa hofft auf lange Nachtruhe und sehnt sich nach einem Erwachen
ohne Eisblumen auf Herzen und Fenstern. Doch das kann dauern.
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