Weihnachtszeit ist Märchenzeit.
Wenn die Tage dunkler werden und der Welten Wahnsinn Millionen
Herzen mit glitzernden Raureif überzieht, versprechen aufgeregte
Regierungswichtel staunenden Bürgern, dass in diesem Schlaraffenland
alle sicher seien und am Ende das Gute stets über dem Bösen
siege. Auf Geheiss einer Hexe des Ostens kuscheln sich AfD-Kobolde
auf öffentlichen Plätzen aneinander und flüstern sich die Schauergeschichte
von der bösen Schneekönigin Angela zu, die - wenn sie nicht
gerade in ihrem Berliner Lügenschloss mit den hundert kalten
Sälen hause - mit ihrer frostigen Schönheit vielen Gutmenschen
Eissplitter in die Augen jage, um sie um den Verstand zu bringen.
Deutschland
zittert wie Espenlaub. Auf dem Gabentisch der Populisten liegen
Bestseller der Angstliteratur wie "Harry Schlotter und
die verwunschenen Kindsköpfe" oder auch arabische Schreckensmärchen
der Brüder Schlimm. Eltern verzählen den Kleinen Geschichten
vom Weihnachtsmann, der angeblich an Heiligabend allen braven
und fleissigen Kindern Geschenke vorbeibringen würden, was ungefähr
so glaubwürdig ist wie ein Schwur von Pinocchio oder eine Meldung
in einem unsozialen Netzwerk wie Fakebook, was vor langer, langer
Zeit unter dem Namen Facebook die verführerische Legende von
der demokratischen Teilhabe aller verbreitete.

Wer
die verrussten Passagen im Leiblingsmärchenbuch der Grossen
Koalition mit dem unheimlichen Titel "Armutsbericht"
frei pustet und dreimal über den letzten Kontoauszug spuckt,
weiss aber: Der Weihnachtsmann besucht auch in diesem Jahr wieder
nur die reichen Kinder, deren Eltern Geld wie Heu haben. Die
armen meidet der dicke Mann wie der Teufel das Weihwasser oder
Donald Trump alias Mister Gold die Wahrheit.
Ach,
wie gut, dass niemand weiss, dass ich Trumpelstilzchen heiss.
Nur: Wen interessiert's? Namen sind Schall und Rauch, zumindestens
in Europa. Kein Wunder also, dass ein Märchenonkel der CSU fordert,
Figuren, die sich an den Grenzen unseres Bewusstseins nicht
eindeutig ausweisen können, dort so lange festzuhalten, bis
ihre Identität zweifelsfrei geklärt sei. Ein Albtraum für alle
Feen, Einhörner, Stiefmütter und Froschkönige, die auf ihrer
Flucht aus der grausamen Realität ihre Papiere verloren haben.

Im
postfaktischen Wintermärchen spinnen wir Stroh zu Gold und verkaufen
unsere Seelen dem Erstbesten. Wir kauern in unbezahlten Lebkuchenhäuschen.
Und warten sehnsüchtig auf ein letztes Paket von Amazon wie
Dornröschen auf den Prinzen, der sich verspätet, weil er bei
Tinder noch eine andere Schwester datet, die nicht halb so prinzessinnenhaft
ausschaut wie ihr aufgehübschtes Profilfoto. Nichts stimmt mehr.
Oder wie der sagenhafte Herbert Wehner zu sagen pflegte: Alles
Mummpitz!
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