Man sieht kaum die Hand
vor Augen, feintröpfiger Nebel lässt Konturen verschwimmen.
Auf der Zunge liegt ein Belag aus Industrie-Kardamom, Zimterotik
und bulgarischer Frühlese. Deutschland hüllt sich in dicke Socken,
die Töchter Zion irrlichtern als Goldengel durch den Budenzauber
der Innenstädte und machen Werbung für Dessous. Betonfest gebrannte
Mandeln zertrümmern Zahnimplantate im Gegenwert des griechischen
Bruttosozialbrodukts. Die Adventsbesinnlichkeit spitzt sich
zu.

Eigentlich
eine politisch neutrale Veranstaltung, werden die Weihnachtsmärkte
zwischen Straubing und Braunschweig in diesem Jahr klar von
der SPD dominiert. Seit bekannt ist, dass die alte Arbeiterpartei
ihr Führungspersonal nur noch bis zum Jahresende vermietet,
reissen sich die Veranstalter um sozialdemokratische Weihnachtsmänner,
um gnadenspendene Familienministerinnen, pastorale Aussenminister
und die drei Weisen aus dem Morgenland des SPD-Ortsvereins Erkenschwick.
Sie
alle bollern um mit den Ellenbogen durch das Gewühl, spenden
Trost, heilen Kranke und erhöhen die Rente. Tränen der Rührung
tropfen auf Lebkuchen, sogar die toten Pelztiere auf den Schultern
ergrauter Damen zwingen sich zu einem letzten Lächeln. Draussen
mögen Hass und Terror toben - hier zwischen Esskastanien, gross
wie Eierhandgranaten, und der lebenden Krippe herrscht krachende
Besinnlichkeit. Weihnachtsmärkte gehören zum Jahresablauf wie
die rituelle Montage der Winterreifen oder die allfälligen Betriebsweihnachtsfeier.
Dort umarmen sich wieder Betriebsnudel und Aussendienstler,
duzen sich Azubi und Chefsekretärin, werden die letzten Getränke
vor dem Hinausinsfreietorkeln auf dem Kopf stehend in den Körper
geschüttet.
Angesichts der kerzenverklärten
Heiterkeit werfen Journalisten und Soziologen die Frage auf,
warum es in Deutschland nicht immer so schön sein kann wie in
der Vorweihnachtszeit. Studien zufolge ist die Liebesbedürftigkeit
der Deutschen angesichts der globalen Dystrophie so gross, dass
viele in unbeobachteten Momenten ein Glühweinfass umarmen oder
zwölf CDs mit Blockflötenmusik aus dem Erzgebirge kaufen.

Die
Politik erwägt deshalb, Verkäufer von Wollsocken, Zipfelmützen
und Kittelschürzen von der Steuer zu befreien, Grundzüge des
Choralsingens in den Schulen als Pflichtfach einzuführen und
Migranten zum Schnitzen von Servierbrettern zu zwingen. Der
deutsche Weihnachtsmarkt soll zehn Monate lang dauern und die
Botschaft kandisgezuckerter Idylle an die Trumps, Putins oder
Kims weiterzureichen. Helene Fischer wird UN-Weihnachts-Sonderbotschafterin,
Herz und Klima erwärmen sich - nur im August gibt es eine kurze
Unterbrechung, um die Glühweinfässer aufzufüllen.
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