Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (16. Oktober 2016)
 
Nuscheln, bis der Nobelpreis kommt
 

   Für Menschen, die sich für gebildeter halten, als sie wirklich sind, ist die alljährliche Bekanntgabe des Literaturpreises eine ziemliche frustrierende Angelegenheit. Nicht genug, dass man noch nie ein Buch des besagten Autors gelesen hat, im Normalfall hat man noch nicht mal dessen Namen gehört. Nur 2009 habe ich kurz aufgehorcht. Herta Müller? Ist das nicht die freundliche ältere Dame aus dem Hochparterre, die mit den blondierten Pudeln?



   Nun also, in diesem Jahr, endlich mal ein Name, den man kennt: Bob Dylan. Doch nicht nur das. Man weiss beispielsweise, dass Bob Dylan seinen Nachnamen von einem gewissen Dylan Thomas geklaut hat, einem Schriftsteller aus Wales. Und man weiss, dass man Bob nicht mit O wie den Schlitten ausspricht, sondern mit A, also wie eine bundesweit bekannte kölsche Mundartkapelle: BAP.

   Selbstverständlich ist einem auch schon zu Ohren gekommen, dass Mister Bob Dylan seine Liedtexte gern mit Inhalt versieht, hin und wieder sogar auf politische Ereignisse zurückgreift. Aber beweisen könnte man das im Zweifel nicht. Dies mag einerseits mit meinem über die Jahre stark verblichenen Schulenglisch zusammenhängen, aber auch mit der Vortragsweise des nun ausgezeichneten Sänger-Songwriters. Es ist vermutlich nicht sonderlich präzise, aber mit Sicherheit auch nicht komplett falsch, wenn man sagt, dass Bob Dylan nuschelt und nölt.

   Einmal, es muss wohl kurz vor jener Phase gewesen sein, als Mister Bob Dylan sich als singender Christenmensch zu erkennen gab, nahm der österreichische Sänger-Songschreiber Wolfgang Ambros Dylan-Songs im Slang der alpinen Bevölkerung auf. Das klang nicht mal schlecht, rein von der Verständlichkeit her aber hat's wenig gebracht.



   Ich hatte zweimal die Gelegenheit, Mister Dylan bei Konzerten zu erleben. Das erste Mal, es muss wohl schon mehr als zwei Jahrzehnte her sein, trat er in kleiner Besatzung im Beethoven-Saal der Stuttgarter Liederhalle auf. Es war ein denkwürdiges Ereignis. Nicht genug, dass der Sänger seine Songs in der bekannten Weise ins Mikrofon nuschelte. Offenbar war auch die Band der Meinung, man müsse die bekannten Klassiker so herunterschrammeln, wie sie die Welt noch nicht gehört hatte. Selbst die geeichtesten Dylantisten im Publikum hatten ihre liebe Mühe, das Liedgut zu identifizieren.

   Ich behaupte: Wer sich jemals über die undeutliche Aussprache des deutschen Schauspielers Till Schweiger ausgelassen oder über die Gesangskünste von Jan Delay oder Udo Lindenberg mokiert hat, der darf kein gutes Haar an Bob Dylan lassen. Ganz egal, mit wie vielen Literaturnobelpreisen sie ihn zuschütten.

 

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