Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (18. September 2016)
 
Herbst in den Knochen
 

   Dies sind die Tage, da unsere letzten Kurzzeitauswanderer wieder an ihren Arbeitsplätzen aufschlagen, vorzugsweise in weisses Tuch gehüllt, damit ihre Urlaubsbräune auch voll und ganz zur Geltung kommt. Die Guten unter uns werden die Spätheimkehrer zu ihrem Teint beglückwünschen und sich erkundigen, ob das Essen so gut wie daheim war. Die Böswilligen aber werden fragen: "Und, schlechtes Wetter gehabt?" - und ihr bleiches Wunder erleben. In Sekundenschnelle ist die Urlaubsbräune des Kurzzeitauswanderers verflogen.



  Fair wäre das nicht. Damit die Spätheimkehrer, die sich über Wochen vom deutschen Weltgeschehen ab- und der Sonne zugewandt haben, hätten viel eher unsere Unterstützung verdient. Stichwort Integration. Wir könnten ihnen beispielsweise eröffnen, dass im von der Spätsommersonne verwöhnten Deutschland kein Mensch sich über Lichtschutzfaktor von Sonnenschutzcremes den Kopf zerbrach, aber dafür die Vollverhüllung von Frauen muslimischen Glaubens die Gemüter erhitzte, weshalb Plasberg und Co auch der Gesprächsstoff ausging. Auch sollten wir keinesfalls unterschlagen, dass ein weiterer Schleier um die Nebeneinkünfte eines Fussballkaisers gelüftet wurde und verdiente Vereinsmeier mit Erstaunen zur Kenntnis nahmen, dass das Ehrenamt bei uns eine durchaus einträgliche Tätigkeit sein kann.

   Bei hohen Beträgen geraten Relationen gern aus dem Lot, und deshalb könnten wir den Spätheimkehrern erklären, dass für die 30 Millionen Euro, für die in Stuttgart das legendäre Mineralbad Berg in den kommenden Jahren aufgemöbelt werden soll, besagter Fussballkaiser sechs (!) Fussballmeisterschaften ins Land geholt hätte, also der Mann im Grunde eine Art Schnäppchenbotschafter sei.



  Was sonst noch daheim in der Heimat geschah? Eigentlich nicht viel, so dass wir feixend zu unseren österreichischen Nachbarn hinüberschauen könnten, wo eine anstehende Präsidentenwahl fehlerhaften Briefumschlägen auf den Leim ging. Genau genommen war so wenig los in diesem Sommer, dass man eigentlich locker seiner Heimat hätte den Rücken zuwenden können.

  Völlig unberührt  vom Weltenlauf fährt ein einsamer Radler eine von der Morgensonne beschienene Kreisstrasse entlang. Seine Tritte sind entspannt, sein Pulsschlag gleichmässig - bis ein Vierachser ihn beim Überholen um ein Haar aus dem Sattel holt. Der Radler nimmt die Verfolgung auf, um dem Rüpel die Meinung zu geigen, holpert durch ein Schlagloch und fährt sich dabei den Hinterreifen platt. Er steigt ab, geht in die Knie, wechselt den Schlauch, und als er wieder aufsteigen will, fährt im ein stechender Schmerz ins Kreuz. Da weiss er, dass der Herbst nicht mehr weit ist.

 

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