Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (11. September 2016)
 
Im Bett der Larmoyanz
 

   Die ewige Wiederkehr der Jahreszeiten! Der Spätsommer kündigte sich diese Woche mit dem vertrauten Geräusch der Laubbläser an, die frühmorgens ihre Zweitaktsinfonie spielten und mit Akkuresse die herabfallenden Blätter einem geometrischen Muster folgend von Punkt A nach Punkt B und danach weitertransportierten, bis sie wieder am Ausgangspunkt ihrer kleinen Reise angelangt waren. Widerspenstiges oder träges Grünzeug wurde mit einem drohenden Aufheulen des Gebläsemotors weitergescheucht und der Natur damit signalisiert, dass sie domestiziert ist und sich dem Willen des Stadtplanungsamts und den Reinigungsobsessionen der Baumarktkunden zu unterwerfen hat.



   Die letzten Trecks der Urlauber kehrten zurück; Koffer spien fleckige Freizeitkleidung aus, Poststapel wurden mürrisch gemustert, die Waschmaschinen und Trockner liefen rumpelnd an, Restalkohol und Sonnenbrand machten sich aus dem Staub. Aus den entladenen Familienkombis entwich ein olfaktorischer Mix aus alten Waschlappen, nasser Hund und Sauerampfer. Bunte Erinnerungen verspukten noch das überreizte Kleinhirn, das Patschen der Flipflops auf dem Campingplatz irgendeiner Adriaküste - immer morgens, wenn Hunderte Trainingsanzüge ihre Kaffeemaschinen zum Blubern brachten. Das schelmische Grinsen eines Kellners, dessen servierter Meeresfisch aus Altersgründen eigentlich Kontaktlinsen gebraucht hätte. Die wohltuende Rammdösigkeit des Autofahrens unter dem Einfluss sengender Sonne und der "Bravo-Hits"-CD.

   In der Heimat hatte sich nichts geändert. Es gab eine Wahl in einem nordöstlichen Zwergstaat, der mangels Interesse aus dem Speicher der meisten Navigationsgeräte bereits gelöscht wurde. Dort vermeinten die wenigen Bewohner im tintenblauen Wasser der Ostsee die fratzenhaften Umrisse von Burkaträgerinnen zu erkennen und klammerten sich ängstlich an die angebundenen Bleistifte im Wahllokal fest, die gerade noch bis zum Kästchen der neu erstarkten Rechtspartei reichten.



   Die Erschütterungen des Wahlausgangs zeichneten Haarrisse in den Mauern des Kanzleramts und lösten eilfertige Beschwichtigungskaskaden aus. Verunsichert seien die Menschen gewesen, analysierten Politilogen. Die Verunsicherung sei gross, sekundierten die Wahlkampfmanager. Offenbar gebe es eine grosse Verunsicherung im Volk, liess sich die Kanzlerin aus dem fernen Osten vernehmen. Man müsse die Verunsicherung ernst nehmen, meinte jener, während ein anderer die Verunsicherung am besten im Einzelgespräch mit dem Wähler in Mut verwandeln wollte. Doch die Bürger wälzten sich weiter im warmen Bad der Spätsommer-Larmoyanz und wussten doch: Solange da draussen noch die Laubbläser dröhnen, ist Deutschland nicht verloren.

 

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