Die ewige Wiederkehr der
Jahreszeiten! Der Spätsommer kündigte sich diese Woche mit dem
vertrauten Geräusch der Laubbläser an, die frühmorgens ihre
Zweitaktsinfonie spielten und mit Akkuresse die herabfallenden
Blätter einem geometrischen Muster folgend von Punkt A nach
Punkt B und danach weitertransportierten, bis sie wieder am
Ausgangspunkt ihrer kleinen Reise angelangt waren. Widerspenstiges
oder träges Grünzeug wurde mit einem drohenden Aufheulen des
Gebläsemotors weitergescheucht und der Natur damit signalisiert,
dass sie domestiziert ist und sich dem Willen des Stadtplanungsamts
und den Reinigungsobsessionen der Baumarktkunden zu unterwerfen
hat.

Die
letzten Trecks der Urlauber kehrten zurück; Koffer spien fleckige
Freizeitkleidung aus, Poststapel wurden mürrisch gemustert,
die Waschmaschinen und Trockner liefen rumpelnd an, Restalkohol
und Sonnenbrand machten sich aus dem Staub. Aus den entladenen
Familienkombis entwich ein olfaktorischer Mix aus alten Waschlappen,
nasser Hund und Sauerampfer. Bunte Erinnerungen verspukten noch
das überreizte Kleinhirn, das Patschen der Flipflops auf dem
Campingplatz irgendeiner Adriaküste - immer morgens, wenn Hunderte
Trainingsanzüge ihre Kaffeemaschinen zum Blubern brachten. Das
schelmische Grinsen eines Kellners, dessen servierter Meeresfisch
aus Altersgründen eigentlich Kontaktlinsen gebraucht hätte.
Die wohltuende Rammdösigkeit des Autofahrens unter dem Einfluss
sengender Sonne und der "Bravo-Hits"-CD.
In
der Heimat hatte sich nichts geändert. Es gab eine Wahl in einem
nordöstlichen Zwergstaat, der mangels Interesse aus dem Speicher
der meisten Navigationsgeräte bereits gelöscht wurde. Dort vermeinten
die wenigen Bewohner im tintenblauen Wasser der Ostsee die fratzenhaften
Umrisse von Burkaträgerinnen zu erkennen und klammerten sich
ängstlich an die angebundenen Bleistifte im Wahllokal fest,
die gerade noch bis zum Kästchen der neu erstarkten Rechtspartei
reichten.

Die
Erschütterungen des Wahlausgangs zeichneten Haarrisse in den
Mauern des Kanzleramts und lösten eilfertige Beschwichtigungskaskaden
aus. Verunsichert seien die Menschen gewesen, analysierten Politilogen.
Die Verunsicherung sei gross, sekundierten die Wahlkampfmanager.
Offenbar gebe es eine grosse Verunsicherung im Volk, liess sich
die Kanzlerin aus dem fernen Osten vernehmen. Man müsse die
Verunsicherung ernst nehmen, meinte jener, während ein anderer
die Verunsicherung am besten im Einzelgespräch mit dem Wähler
in Mut verwandeln wollte. Doch die Bürger wälzten sich weiter
im warmen Bad der Spätsommer-Larmoyanz und wussten doch: Solange
da draussen noch die Laubbläser dröhnen, ist Deutschland nicht
verloren.
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