Glücklich, wer positiv denken
kann. Wer jeden Morgen mit einem Lächeln auf den Lippen und
breiter Brust in den Tag stürmt, voller Tatendrang und Willenskraft.
Wer auf der Überholspur des widrigen Lebens all die Bremser,
Drängler, Nörgler, Heuchler und Bedenkenträger im Rückspiegel
verschwinden sieht, bis auf einmal alles frei und möglich scheint
und ein Satz wie "Wir schaffen das" überhaupt nicht
mehr nach einem müden Kalenderspruch aus der Kanzleramtskirche
klingt.

Andererseits
mehren sich seit einiger Zeit die Hinweise, dass ein allzu postives
Denken schlecht für die Figur ist und einsam macht. Eine renomnierte
Psychologin hat zum Thema zwanzig Jahre lang geforscht und fand
schliesslich heraus, dass man umso weniger abnimmt, je mehr
man sich bei einer Diät seinen künftigen gertenschlanken Körper
vorstellt; dass eine Verliebte eher scheitert, je rosiger sie
sich die künftige Beziehung mit ihrem Schwarm in ihren Gedanken
ausmalt. Man sollte demnach weder seinem Hirn noch dem Koalitionspartner
trauen. Wer sich auch am Tage die Zukunft mit Sigmar Gabriel
notorisch schönredet, sitzt möglicherweise irgendwann nach einer
anstrengenden Warschau-Reise einsam und verlassen mit viel zu
engem Blazer und Hundeblick in der Kanzleramtsküche.
Um
ihren Wählern solch heftige Entäuschungen zu ersparen,
propagieren die Politiker im Osten Europas das Glück des negativen
Denkens. In Ungarn bietet Ikea im neuen Katalog einen speziellen
Maschendrahtzaun fürs Wohnzimmer ("Ätschibätsch")
an und Särge zur Selbstmontage ("Postmortik", Buche
hell). In Bratislava sind die morgendlichen Slibowitz-Gläser
(0,5l) der Bürgerwehren per Dekret nur noch halb voll. Die polnische
Ministerpräsidentin wiederum empfiehlt zur Abschreckung von
Brüsseler Vampiren, Angela Merkel und Flüchtlingen neuerdings
das Tragen von geweihten Kruzifixen und jungfräulichen Knoblauchkränzen.

So
viel gesunder Pessimismus ist ansteckend - und zwar grenzüberschreitend.
Man ahnt, dass die Zukunft nicht zwingend besser sein muss als
ihre Vergangenheit. "Warum wird Putin so geliebt?"
fragt die "Zeit" auf ihrer Titelseite. Und der glückliche
Schwarzseher antwortet: Weil Putins Nachfolger womöglich noch
schlimmer sein könnte. Augenblick, verweile doch! Du bist so
schnöd.
Nur mit dieser fatalistischen
Haltung vermag man den anschwellenden Bocksgesang um allerlei
K-Fragen auszuhalten: Kanzlerinnen, Kretschmänner und Kapitäne
von deutschen Fussballmannschaften sollten künftig ab einer
gewissen Amtszeit von jeglichen demokratischen Prinzipien ausgeschlossen
werden. Einmal gewählt, regieren sie, bis sie tot umfallen.
Schlimmer wird's immer. Und glücklich, wer negativ denken kann.
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