Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (21. August 2016)
 
Sein schönstes Ferienerlebnis
 

   Vielleicht sollten wir an dieser Stelle eine hübsche Tradition aufnehmen, von der ich gar nich weiss, ob sie im wahren Leben noch existiert. Gibt es das noch, dass Schüler nach den Ferien Aufsätze über irh schönstes Ferienerlebnis schreiben? Oder gilt das inzwischen als Eingriff in die Privatsphäre eines Heranwachsenen, kann die Lehrkraft doch so herausbekommen, auf welchem Kontinent der junge Mensch auf Pokémon-Jagd ging?



   Ist im Grunde ja auch wurscht, ich bin alt genug, um selbst entscheiden zu können, welche delikaten Details ich Ihnen von meinem Urlaub preisgeben will. Als gebürtiger Autofahrer bin ich noch nie mit der Bahn verreist, und so blieb mir bisher die Erkenntnis erspart, dass eine Zugfahrt bisweilen eine andere als die geplante Richtung nehmen kann. Keine Sorge, jetzt kommt nicht die übliche Bahn-Bashing. Die Klimaanlage im ICE Oppelsbohm hat funktioniert, und abgesehen von der Kleinigkeit, dass das Weizenbier im Bordbistro Zimmertemperatur hatte (worauf mich der Bahnbedienstete vor dem Kauf hingewiesen hatte), war alles tadellos.

  Mir geht es darum: Man bucht Monate im Voraus einen Sitzplatz in Fahrtrichtung - und schiesst doch ab Frankfurt am Main im Rückwärtsgang durch die Republik. In solchen Momenten fängt man schon mal an, über den Sinn und Zweck von Sackbahnhöfen zu sinnieren. Ich weiss nicht, ob die Folgen der Fahrtrichtungsänderung auf Seele und Geist bei der Diskussion um den neuen Stuttgarter Hauptbahnhof schon berücksichtigt wurden. Im Flieger jedenfalls ist mir das noch nicht passiert, dass die Reise plötzlich nach hinten losging. Im Auto nur einmal, aber das war auf einer verschneiten Fahrbahn und die Rückwärtsfahrt nur von kurzer Dauer.



   Habe ich eigentlich schon erzählt, wohin die Reise ging? So eine Zugfahrt von Stuttgart nach Hamburg ist ja auch im Zeitalter der Hochgeschwindigkeitszüge von einer gewissen Dauer - und so bleibt einem genug Zeit, um zu überlegen, was einen an der Rückwärtsfahrerei eigentlich stört. Zur Not denkt man eben mit einem inzwischen schosswarmen Weizenbier im Bordbistro nach, wo man noch ein Plätzchen in Fahrtrichtung ergattern könnte. Ich vermute, das Aber vor der Rückwärtsfahrt ist eher psychologischer als psychischer Natur. Vielleicht will der Mensch lieber sehenden Auges in den Urlaub fahren. Und nicht ständig vor Augen haben, was er zurücklässt.

   Der Zug kam übrigens auf die Minute genau in Hamburg an. Hatte die Stadt seit 30 Jahren nicht mehr gesehen. Es gäbe so manches zu sagen über Hamburg, aber Sie sehen es ja selbst: Der Platz ist aus. Da fällt mir ein, warum ich Erlebnisaufsätze nie gemocht habe. Ich kam über eine Drei-bis-Vier nie hinaus. Darunter stand meist, ich würde mich zu sehr mit Nebensächlichkeiten aufhalten.

 

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