Vielleicht sollten wir an dieser Stelle
eine hübsche Tradition aufnehmen, von der ich gar nich weiss,
ob sie im wahren Leben noch existiert. Gibt es das noch, dass
Schüler nach den Ferien Aufsätze über irh schönstes Ferienerlebnis
schreiben? Oder gilt das inzwischen als Eingriff in die Privatsphäre
eines Heranwachsenen, kann die Lehrkraft doch so herausbekommen,
auf welchem Kontinent der junge Mensch auf Pokémon-Jagd ging?

Ist
im Grunde ja auch wurscht, ich bin alt genug, um selbst entscheiden
zu können, welche delikaten Details ich Ihnen von meinem Urlaub
preisgeben will. Als gebürtiger Autofahrer bin ich noch nie
mit der Bahn verreist, und so blieb mir bisher die Erkenntnis
erspart, dass eine Zugfahrt bisweilen eine andere als die geplante
Richtung nehmen kann. Keine Sorge, jetzt kommt nicht die übliche
Bahn-Bashing. Die Klimaanlage im ICE Oppelsbohm hat funktioniert,
und abgesehen von der Kleinigkeit, dass das Weizenbier im Bordbistro
Zimmertemperatur hatte (worauf mich der Bahnbedienstete vor
dem Kauf hingewiesen hatte), war alles tadellos.
Mir
geht es darum: Man bucht Monate im Voraus einen Sitzplatz in
Fahrtrichtung - und schiesst doch ab Frankfurt am Main im Rückwärtsgang
durch die Republik. In solchen Momenten fängt man schon mal
an, über den Sinn und Zweck von Sackbahnhöfen zu sinnieren.
Ich weiss nicht, ob die Folgen der Fahrtrichtungsänderung auf
Seele und Geist bei der Diskussion um den neuen Stuttgarter
Hauptbahnhof schon berücksichtigt wurden. Im Flieger jedenfalls
ist mir das noch nicht passiert, dass die Reise plötzlich nach
hinten losging. Im Auto nur einmal, aber das war auf einer verschneiten
Fahrbahn und die Rückwärtsfahrt nur von kurzer Dauer.

Habe
ich eigentlich schon erzählt, wohin die Reise ging? So eine
Zugfahrt von Stuttgart nach Hamburg ist ja auch im Zeitalter
der Hochgeschwindigkeitszüge von einer gewissen Dauer - und
so bleibt einem genug Zeit, um zu überlegen, was einen an der
Rückwärtsfahrerei eigentlich stört. Zur Not denkt man eben mit
einem inzwischen schosswarmen Weizenbier im Bordbistro nach,
wo man noch ein Plätzchen in Fahrtrichtung ergattern könnte.
Ich vermute, das Aber vor der Rückwärtsfahrt ist eher psychologischer
als psychischer Natur. Vielleicht will der Mensch lieber sehenden
Auges in den Urlaub fahren. Und nicht ständig vor Augen haben,
was er zurücklässt.
Der Zug kam übrigens
auf die Minute genau in Hamburg an. Hatte die Stadt seit 30
Jahren nicht mehr gesehen. Es gäbe so manches zu sagen über
Hamburg, aber Sie sehen es ja selbst: Der Platz ist aus. Da
fällt mir ein, warum ich Erlebnisaufsätze nie gemocht habe.
Ich kam über eine Drei-bis-Vier nie hinaus. Darunter stand meist,
ich würde mich zu sehr mit Nebensächlichkeiten aufhalten.
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