Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (12. Juni 2016)
 
Jeder ist ersetzbar
 

   Niemand ist unersetzlich, und wenn ein Spieler ausfiele, dann trete eben ein anderer an seine Stelle, hat Joachim Löw neulich gesagt und dabei so mitfühlend geklungen wie ein Hagelschauer. Und während die Nation noch das kaputte Knie eines deutschen Abwehrspielers beweinte und die Gärten und Keller volllaufen liess, streifte der Bundestrainer bereits einem anderen das Leibchen über.



   Eine ernüchternde Erkenntnis. Gerade für all jene Männer, die auf der Ersatzbank des Lebens vergeblich auf ihre Einwechselchance warten. Und wenn es dann Abend wird und man es sich mit der Liebsten und einem am Alexander Gauland erinnernden Mettigel Hawaii auf der Fernsehcouch gemütlich gemacht hat und die Pfeife des Schiedsrichters für Augenblicke das Prasseln der fussballgrossen Starkregentropfen und das Ächzen der Eichen und Gurgeln der Pumpen übertönt und einer im Strafraum sein Trikot hochzieht, fährt einem wie der Gewitterblitz aus heiterem Himmel der Eifersuchtspfeil ins Herz. Eine Umfrage hat ergeben, entblättert sich ein Ronaldo bauchnabelhochwärts, beginnen Ehefrauen zu fantasieren - jede dritte von einem Seitensprung, bei Ibrahimovic ist es jede sechste. So wanderen die Augen vom eigenen Waschbärbauch zur Nebensitzerin, das unbekannte Traumwesen. Ist das jetzt die Nummer drei? Oder doch die Nummer sechs?



   Jeder ist austauschbar wie ein Panini-Sticker oder ein Ehemann mit Wampe. Selbst die Nummer eins Joachim Gauck kann sich vor der Verlängerung selbst auswechseln. Der sympathische Grauschopf war der Phasenprüfer der Berliner Kurzschlusspolitik, die präsidiale Hausratversicherung der Republik. Wie werden wir sein pastorales Gurren vermissen, das eine noch stärkere opiatische Wirkung hatte als die psychedelischen Bonbonfarben von Angela Merkels Blazer. Obwohl Gauck viele abhängig gemacht hat, taucht er nicht im Drogenbericht auf. Niemand hört ihm zu, doch alle verstehen ihn. Das ist seine Kunst. In einem mehrstündigen Schlangensatz ohne Prädikat und Objekt 437-mal die Wörter Sorge, Mahnung und Vergebung sinnfrei zu deklinieren und zu transzendieren.



   Trotzdem wird nun wild über den Nachfolger spekuliert. Jogi Löw werden gute Aussichten eingeräumt, des bewährten Vornamens, seiner Unverständlichkeit und der engen Hemden wegen. Die Grünen wünschen sich lieber eine Rad fahrende, lesbische Veganerin und Muslima mit Migrationshintergrund, Behindertenausweis und Stöckelschuh-Unverträglichkeit und Glutenfrei. Nur die Kanzlerin zögert noch und nährt Spekulationen, sie liebäugle  klammheimlich mit einer Kanditur von Recep Tayyip Erdogan, der schon laut über die Auswechslung einiger Bundestagabgeordneter nachgedacht hat. Ein Türke als neue deutsche Nummer eins, warum eigentlich nicht?

 

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