Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (29. Mai 2016)
 
Notizen aus der französischen Provinz
 

   Sitze seit knapp zwei Wochen am Rande einer Pferdekoppel in der französischen Provinz und schaue drei Pferden beim Herumstehen zu. Der Chef im Ring ist eine braune Stute. Zweimal am Tag kommt eine junge Frau in Stiefeln vorbei und bringt Futter. Ich habe mein Essverhalten dem der Pferde angeglichen, was allerdings nicht heisst, dass ich mich mit Heu und Wasser zufrieden gebe.

   Je länger ich sie beobachte, desto mehr fühle ich mit den Tieren. Die Pferde schlafen im Stehen, ich nicke manchmal aufrecht sitzend auf meinem Campingstuhl ein - daheim schaffe ich das nur vor dem laufenden Fernsehapparat.

   Die Temperatur ist tagsüber recht angenehm, nur nachts wird es frisch, aber alles ist besser als das Zweitligawetter, dass meine Wetter-App aus der Heimat meldet. Endlich einmal Zeit, um die Symbiose zwischen Tier und Mensch am eigenen Leib zu erfahren. Haben die Fliegen von den Pferden genug, kommen sie zu mir, und umgekehrt. Wenn die Pferde äpfeln, drehen sie mir den Rücken zu. Ich werte das als einen Vertrauensbeweis.



   Warum ich ihnen das alles verzähle? Weil ich beabsichtige, diesen Erlebnisaufenthalt aus der südfranzösischen Provinz beim Finanzamt einzureichen - in der Hoffnung, den Urlaub steuerlich geltend machen zu können. Ich erzähle Ihnen das aber auch deshalb, weil sich unter Frankreich-Reisenden so langsam ein Kribbeln ausbreitet. Wer Sprit will, muss lang anstehen und bekommt nicht mehr als 30 Liter. Ein Hauch von Abenteuerurlaub liegt über den Touristencamps.

   Ein Freund von mir setzt von der Tanke aus einen Notruf an seine Whatsapp-Gruppe ab. Er will wissen, ob er seinen Diesel auch mit Rotwein befeuern kann. Es gibt etliche Kommentare, aber nichts, was ihm wirklich weiter hilft.

   Das sei erst der Anfang, sagt mir die Leitstute. Irgendwann würden sie den Sprit nur noch in Pastisglasmengen austeilen. Gemeldet wird, in Paris sei Diesel inzwischen begehrter als Champagner.

   Dann erzählt die Stute was von einer kommunistischen Gewerkschaft, die aus Protest gegen eine Arbeitsmarktreform die Treibstofflager blockiere. Mehr verstehe ich nicht, was nicht am mangelnden Pferdeverstand liegt, sondern am schlechten Französischunterricht, den ich so vor 40 Jahren genossen habe.



   Mich lässt der Spritmangel kalt. Als ich mich mal kurz von der Koppel entferne und mit dem Fahrrad einen Berg hochfahre, kommt mir eine Horde aufgedrehter Motorradfahrer entgegen. In dem Moment wünsche ich mir, sie drehten den Zapfhahn bald ganz ab. Über meine Heimreise mache ich mir keine Gedanken. Die Leitstute gab mir zu verstehen, sie könne sich vorstellen, mit mir auf dem Rücken in Richtung der aufgehenden Sonne zu trotten. Vielleicht sollte ich mal googeln, wie der Lucky-Luke-Song "I'm a poor Lonesome Cowboy" auf französisch geht.

 

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