Kaum hatten sich in der
Pfingstwoche die Rauchschwaden verbrannter Trikots der vom Fussballwunder
verschont gebliebenen Clubs verzogen, schwebte wie jedes Jahr
der Heilige Geist über den Südwesten ein. Wie es in der Schrift
heisst, kam "vom Himmel her ein Brausen und ein Sausen,
wie wenn ein Sturm daherfährt, und alle begannen, in fremden
Sprachen zu reden". Das war natürlich ein grosses Hallo
und selbst der Heilige Geist staunte über die Betriebsamkeit
in den Korridoren der Landespolitik.
Vor
allem den Regierungschef umgab ein Glühen und Lodern, seine
Haare strebten noch stärker zum bedeckten Himmel hin als wollten
sie sie sich der Nähe des Allmächtigen versichern. Eine Aura
der Unantastbarkeit umwölkte ihn. Selbst jene, die früher durch
Berührung seiner Haarbürste Heilung von Krankheit oder Trost
nach dem Verlust des Wahlkreises erhofften, hielten ehrerbietig
Abstand.

Nur
sein Vize, der stets freundlich lächelnde, doch jetzt niedergedrückt
wirkende Parteichef einer Partei, die sich stets der Heiligen
Dreifaltigkeit verbunden fühlt, suchte die Nähe des Patriarchen.
Mehrmals am Tag drang er unter artigen Verbeugungen in dessen
Büro ein, um bei einem Becher Eisenhut-Tee Trost und Rat zu
suchen. Im Gesicht trug er neben der verblassenden Narbe eines
studentischen Fechtduells jene Kratz- und Bissspuren, die ihm
eigene Gefolgsleute und aufgebrachte Frauen beigebracht hatten,
die endlich vom Nektar der Macht kosten und das demütigende
Dasein als politische Vorzimmerdamen beenden wollten. Der zerschundene
Vize erwog, alles hinzuwerfen und künftig als Anwalt vom Fenster
eienr Chrom- und Kastanienholzkanzlei auf den Frühnebel um die
Weinberge Heilbronns zu blicken.
Ganz
anders die Stimmung im riesigen Büro des neu geschaffenen Ministeriums
für Allzuständigkeit. Ein kleiner Mann mit wachen Augen sprang
derwischhaft hin und her. "Mehr Tourismus, dort in der
Ecke Justiz und links Europa sowie Gas und Dampf", murmelte
er. Im Hintergrund plätscherte ein Modell des Uracher Wasserfalls.
An der Wand hing die Sammlung von Medaillen, die seine lange
politische Laufbahn begleiteten. "Blutreiter des Monats",
Platz drei bei der Xylofon-Bürgermeister-Olympiade Ravensburg
und der "Lyrik-Award" für sein Gedicht "Der Erlkönig
und seine Rechtsnachfolge".

Noch
stärker vom Pfingstfeuer erleuchtet waren indes die Funktionsträger
der neuen Partei. Mit ungläubigen Staunen liebkosten sie die
Gummibäume ihrer neuen Büros und warfen sich lausbubenhaft Radiergummis
an den Kopf. Während sie ihr politisches Pfingstwunder auskosteten,
flog der Heilige Geist draussen zu den abstiegsbedrohten Wahlverlierern
und hauchte ihnen einen tröstenden Kuss auf die Stirn.
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