Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (01. Mai 2016)
 
Jugend, bleib, wie du bist!
 

   Die verlogenste Schlagzeile der Woche lautet: "Jugend in Deutschland wird immer angepasster." Was da scheinbar als reine Nachricht daherkommt, ist im Grunde genommen ein Vorwurf. Eigentlich hätte da stehen müssen: "Hey, Jugend, sei nicht so verdammt angepasst. Sei so revolutionär und wild, wie wir das einst waren."

   Der Sozialforscher Klaus Hurrelmann, Jahrgang 1944, ist für die Jugendstudie verantwortlich, die zu der Überschrift geführt hat. Er wird im Kleingedruckten mit folgenden Satz zitiert: "Das geht schon in Richtung Überanpassung."



   Ich kenne im Gegensatz zu Hurrelmann nicht die Jugend, ich kenne nur einzelne ihrer Vertreter. Aber da ich davon ausgehe, dass sie alle ganz ähnlich ticken, eine Ansprache.

   Liebe Jugend, lass dich nicht verrückt machen. Bleib, wie du bist! Kein Mensch will, dass du auf die Barrikaden gehst und die Welt auf den Kopf stellst. Zumindestens niemand, der mit dir zu tun hat. Mir jedenfalls ist niemand bekannt, der mit, sagen wir mal, einem Revolutionär unter einem Dach leben möchte. Schon deshalb nicht, weil Revolutionäre im Haushalt zu nichts zu gebrauchen sind. Weder von Che Guevara noch von Bertold Brecht ist überliefert, dass sie jemals zum Getränkemarkt gefahren wären oder eine Spülmaschine ausgeräumt hätten.

   Wenn ich die Sache richtig verstehe, ist Revolutionär ein Ganztagsjob. Der Revolutionär ist mit seiner Revolution und mit sich selbst beschäftigt. Von Herrn Jesus abgesehen ist kein Revolutionär durch allzu grosse Menschenfreundlichkeit oder Warmherzigkeit aufgefallen. Von Brecht weiss man, dass er ein Weiberheld und ein rücksichtsloser Autofahrer war. Ist ja irgendwie selbstverständlich, wer die Welt retten will, kann sich nicht um all den zwischenmenschlichen Kleinkram kümmern. Der will einfach mal die Sau rauslassen. Oder er läuft tagein, tagaus im selben Tarnanzug herum. Es würde mich nicht wundern, nähme es so ein Genosse mit der Körperpflege nicht ganz so genau.



   Und dann ständig diese Grundsatzdebatten! Können Sie sich vorstellen, dass Sie mit einem auf Krawall gebürsteten Jugendlichen einen entspannten Sonntagsabend vor dem Fernseher verbringen könnten? Da muss man nicht bis Anne Will warten, da wird schon beim "Tatort" der Kapitalismus in Bausch und Bogen verdammt. Ich habe nichts gegen freundliche junge Leute, die an ihre Karriere denken und meine Rente bezahlen.

   Auch wenn ich mit der Jugend sprachliche Verständigungsprobleme habe, ich glaube zu spüren, wie sie drauf sind. Wer ständig neue Smartphones braucht und Handyverträge bezahlen muss, wäre ganz schön blöd, würde er es sich mit seinen Ernährern verscherzen. Die deutsche Jugend ist nicht überangepasst, lieber Herr Hurrelmann, sie ist einfach nur clever.

 

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