Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (04. April 2016)
 
Seat, ich wurde erleuchtet!
 

   Die wirklich grossen Errungenschaften der Neuzeit haben es nicht nötig, viel Aufhebens von sich zu machen. Meist kommen sie auf leisen Sohlen daher, schleichen sich klammheimlich in unser Leben. Im ersten Moment nimmt man sie gar nicht wahr, aber dann sieht man sie, in der Innenverkleidung einer Autotür. Und nichts ist mehr, wie es war.

   Das Ding, um das es hier geht, heisst im Werbedeutsch Ambientenbeleuchtung. Aber was ist schon ein Reklamebegriff im Vergleich zu dem, was das Ding in Wirklichkeit vermag? Es ist keine Übertreibung, wenn ich sage, dass ich diese Woche, als ich mich in den Wagen einer Kollegin setzte, erleuchtet wurde. Trotz Sommerzeit war die Nacht schon hereingebrochen, und als ich die Beifahrertür schloss, sah ich es: Ein zartes Leuchten wars, das sich an der Türinnenverkleidung auf Ellbogenhöhe mit leichtem Schwung entlangzog, wie von Malerhand gezeichnet. Im ersten Moment dachte ich, es handele sich um eine Spiegelung oder um die späte halluzinogene Wirkung des Kantinenessens vom Mittag. Dann aber wurde mir klar, dass das Lichtband im Türfalz eingelassen war. So sehr ich mich auch mühe, das Phänomen zu beschreiben, so sehr spüre ich, dass Sprache hier versagt.



   Mehr Licht! Vergessen Sie es! Wie profan wirken doch die letzten Worte Goethes im Vergleich zur Ambientenbeleuchtung. Auf wunderbare Weise wird einem vor Augen geführt, dass weniger mehr ist. Ein Dimmen ist es nur, und es ändert, so erklärte mir die Kollegin, je nach Wahl des Fahrmodus seine Farbe. In unserem Fall schimmert es rötlich - und rötlich bedeutet Sport. Es gäbe auch einen Öko-Modus, sagte die Fahrerin, der leuchte wohl grün oder gelb. So genau wisse sie es nicht. Die Frau hat Feuer.

   Verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Es geht nicht darum, Reklame für ein bestimmtes Modell zu machen. Womöglich sind feine Lichtbänder in der automobilen Champions League ein alter Hut. Entscheidend ist, dass diese sagenhafte Erfindung ein Brot-und-Butter-Auto aufwertet und sie uns daran erinnert, worum es eigentlich im Leben geht. Um innere Werte. Und ein klein wenig vielleicht auch darum, der Generation Smartphone soll klar werden, dass man nicht jedes Wunderwerk der Technik in die Hosentasche stecken kann.

   Nun, da wir fast am Ende dieses Textes angelangt sind, ein Hinweis an die werte Leserschaft. Womöglich sind Sie der Meinung, es sei höchste Zeit gewesen, angesichts von Terror, Flüchtlingselend und Klimaerwärmung die läppischen Spielereien der Automobilindustrie auf die Schippe zu nehmen, und Sie hätten gute Lust, den geschätzten Autor für einen Pulitzer-Preis vorzuschlagen. In diesem Fall muss ich Sie leider enttäuschen. Ich finde die Ambientenbeleuchtung einfach nur echt geil.

 

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