Die wirklich grossen Errungenschaften
der Neuzeit haben es nicht nötig, viel Aufhebens von sich zu
machen. Meist kommen sie auf leisen Sohlen daher, schleichen
sich klammheimlich in unser Leben. Im ersten Moment nimmt man
sie gar nicht wahr, aber dann sieht man sie, in der Innenverkleidung
einer Autotür. Und nichts ist mehr, wie es war.
Das
Ding, um das es hier geht, heisst im Werbedeutsch Ambientenbeleuchtung.
Aber was ist schon ein Reklamebegriff im Vergleich zu dem, was
das Ding in Wirklichkeit vermag? Es ist keine Übertreibung,
wenn ich sage, dass ich diese Woche, als ich mich in den Wagen
einer Kollegin setzte, erleuchtet wurde. Trotz Sommerzeit war
die Nacht schon hereingebrochen, und als ich die Beifahrertür
schloss, sah ich es: Ein zartes Leuchten wars, das sich an der
Türinnenverkleidung auf Ellbogenhöhe mit leichtem Schwung entlangzog,
wie von Malerhand gezeichnet. Im ersten Moment dachte ich, es
handele sich um eine Spiegelung oder um die späte halluzinogene
Wirkung des Kantinenessens vom Mittag. Dann aber wurde mir klar,
dass das Lichtband im Türfalz eingelassen war. So sehr ich mich
auch mühe, das Phänomen zu beschreiben, so sehr spüre ich, dass
Sprache hier versagt.

Mehr
Licht! Vergessen Sie es! Wie profan wirken doch die letzten
Worte Goethes im Vergleich zur Ambientenbeleuchtung. Auf wunderbare
Weise wird einem vor Augen geführt, dass weniger mehr ist. Ein
Dimmen ist es nur, und es ändert, so erklärte mir die Kollegin,
je nach Wahl des Fahrmodus seine Farbe. In unserem Fall schimmert
es rötlich - und rötlich bedeutet Sport. Es gäbe auch einen
Öko-Modus, sagte die Fahrerin, der leuchte wohl grün oder gelb.
So genau wisse sie es nicht. Die Frau hat Feuer.
Verstehen
Sie mich bitte nicht falsch. Es geht nicht darum, Reklame für
ein bestimmtes Modell zu machen. Womöglich sind feine Lichtbänder
in der automobilen Champions League ein alter Hut. Entscheidend
ist, dass diese sagenhafte Erfindung ein Brot-und-Butter-Auto
aufwertet und sie uns daran erinnert, worum es eigentlich im
Leben geht. Um innere Werte. Und ein klein wenig vielleicht
auch darum, der Generation Smartphone soll klar werden, dass
man nicht jedes Wunderwerk der Technik in die Hosentasche stecken
kann.
Nun, da wir fast am Ende dieses
Textes angelangt sind, ein Hinweis an die werte Leserschaft.
Womöglich sind Sie der Meinung, es sei höchste Zeit gewesen,
angesichts von Terror, Flüchtlingselend und Klimaerwärmung die
läppischen Spielereien der Automobilindustrie auf die Schippe
zu nehmen, und Sie hätten gute Lust, den geschätzten Autor für
einen Pulitzer-Preis vorzuschlagen. In diesem Fall muss ich
Sie leider enttäuschen. Ich finde die Ambientenbeleuchtung einfach
nur echt geil.
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