Neulich habe ich eine TV-Moderatorin
interviewt. Hinterher sagte sie mir, dass sie Synästhetikerin
sei. Ich dachte an was Ansteckendes, aber die Frau beruhigte
mich. Synästhetiker, sagte sie, seien Menschen, bei denen sich
unterschiedliche Sinnesebenen vermischten.
Im
Fall der Moderatorin ist es so, dass sie, wenn sie eine Stimme
hört, eine Farbe sieht. Meine Stimme, sagte sie, habe für sie
braun geklungen. Ich fand das wenig schmeichelhaft, war sogar
etwas enttäuscht, weil ich dachte, sie hätte mich nett gefunden.
Ich
habe keine Lieblingsfarbe, aber wenn ich eine hätte, wäre es
nicht Braun. Ich würde mir keinen braunen Porsche kaufen, obwohl
Richie Müller mit einem durch den Stuttgart-„Tatort“ kurvt.
Auch ein braunes Fahrrad käme nicht infrage, keine braune Einbauküche,
keine braunen Bettbezüge. Wenn Obst und Gemüse faulen, werden
sie braun.

Braun
akzeptiere ich nur bei Schuhen. Braune Schuhe finde ich ausgesprochen
elegant, zumindest bei Männern. Warum das so ist? Vielleicht,
weil ich mir einbilde, dass das Leder von einer Kuh stammt und
die braun war. Vielleicht auch, weil die Schuhe mich erden und
Erde braun ist.
Ich habe mir überlegt,
woher meine Abneigung gegen Braun kommt. Ich weiss es nicht
sicher, aber es könnte mit den Nazis zusammenhängen. Auch wenn
man nicht in der Nazi-Zeit aufgewachsen ist, sie hat doch ihre
Spuren hinterlassen, wenn man halbwegs in der Schule aufgepasst
hat. Braun war die Farbe des NS-Staates. Durch erdiges Braun
wollten die Nazis ihre Verbundenheit mit Heimat und Boden zum
Ausdruck bringen.
Aber das kann nicht
der Grund sein, weshalb die TV-Moderatorin bei meiner Stimme
an Braun gedacht hat. In der Farbtherapie, habe ich gelesen,
wird bei Gleichgewichtsstörungen mit Brauntönen gearbeitet,
weil sie Geborgenheit und Sicherheit vermitteln. Das muss es
sein. Ausserdem fiel ich der Moderatorin kaum ins Wort, war
für meine Verhältnisse fast schweigsam. Da dachte sie wohl an
Braunschweig.
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