Mit Tränen gesalzenes Popcorn.
Winterbleiche Damenschenkel auf errötendem Teppich. Schwofende
Fremdsprachen. Perfekte Zahnreihen, halbleere Sitzreihen, unübersichtliche
Nebenreihen. Subjektive. Objektive. Prädikatschaumweine.
Zuvor
gibt's bergeweise Augenhäppchen, garniert mit französischen
Delikatessen und dazwischen kunstfreier Sozialhackepeter für
die schlichteren Mägen. Miesestes Hans-Fallada-Wetter. Ein typischer
Himmel über Berlin. Melodramatisches Wolkengebräu, Blitzlichtgewitter
und boulevardeskes Donnergrollen. Winkewinke, bussibussi, gaffgaff.
Und alle so kreisch! Party. Stimmung. Eine Trillion Likes. Überall
ganz normale Hyperstars aus Hollywood und irgendjemand spezielles
namens Daniel Brühl. Das herbe Odeur von zärtlich schimmelnden
Kritikerachseln, das weit über die Grenzen der Hauptstadt alle
Feuilletonnasen betäubt. Erinnerungen an bessere Ballhaus-Zeiten.
Man fassbindert und seufzt. Ach ja. Tschüss und bis zum nächsten
Mal.
Das ist, nein, das war die 66.
Berlinale. Grosses Kino. Leider skandallos. Ein Filmfestival
wie kein zweites in Berlin, verstörend und bizarr wie dieses
Altbautapetenkleid von Jurypräsidentin und Fashion-Queen Meryl
Streep, extravagant wie eine Currywurst in Aspik. Mensch, dir
war gut!
So wurden also die Glanzbären
verteilt. Es wurde geglitzert, geweint, gedankt, geheuchelt
und am Ende gewann dann garantiert irgendein engagierter, authentischer,
hochpolitischer Beitrag - und dieser Blubberkopf Dieter Kosslick.
Und Berlin? Bleibt doch nur Berlin, was.
Nur
schade, dass die besten Werke immer ausserhalb der Konkurenz
laufen. Da wären etwa die von der Bundesregierung und dem evangelischen
Kirchentag geförderte Polit-Action-Doku-Satire mit dem vielsagenden
Titel "Brüssel sehen und sterben". Ein anrührender
Streifen über Angela, eine starke, vom kalten Hauch der Geschichte
geföhnte Frau, und einen Haufen ziemlich erbärmlicher Kerle
aus Osteuropa, Österreich, Frankreich, England, Bayern, Griechenland,
... Dieser sehr deutsche Film ist eine einzige Grenzüberschreitung,
verzichtet komplett auf jegliche Regie und Dramaturgie und vertraut
blind auf die Solidarität der durchgesessenen Kinosessel. Die
Geschichte beginnt damit, dass Angela, eine einsame Experimentalpolitikerin,
ihr realitätsfernes Labor nahe dem Berliner Reichstag verlässt
und angesichts des Elends beschliesst, als engelsgleiche Jeanne
D'Arc Europa zu retten.
Obwohl Angela
seit einiger Zeit unter Links-rechts-Hospitalismus leidet, will
sie sofort nach Brüssel fliegen, biegt allerdings über dem Potsdamer
Platz falsch ab und stürzt prompt bei Magdeburg in ein AfD-Plakat.
Nach dem harten Aufprall ist alles wie vorher. "Brüssel
sehen und sterben" rief bei den ausländischen Kritikern
und Optikern Proteste und Netzhautablösungen hervor. Nur der
Papst war nach dem Kinobesuch begeistert und lockerte sofort
das Kondomverbot. Die besten Filme? Dreht doch alles das Leben.
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