Herrschaftszeiten! Bayerns
Ministerpräsident Hort Seehofer (CSU) hat wegen des Zugunglücks
in Bad Aibling gar nicht beim politischen Aschermittwoch mitgemacht
und trotzdem fast die ganze Woche über die politische Debatte
bestimmt. Das ist ärgerlich für all jene Politiker, die sich
von ihren Mitarbeitern gepfefferte Reden haben schreiben lassen,
die dann aber in der allgemeinen Empörung über Seehofer untergegangen
sind.
Zwei Sätze sind es, bei denen
alle einen Satz gemacht haben: "Wir haben im Moment keinen
Zustand von Recht und Ordnung. Es ist eine Herrschaft des Unrechts."
Das hat Seehofer mit Blick auf den unkontrollierten Flüchtlingszustrom
in einem Interview gesagt.

So,
Kinder, jetzt Textinterpretation: Recht und Ordnung - das muss
jeder konserative Politiker natürlich im Repertoire haben. Der
Wunsch nach Recht und Ordnung unterscheidet ihn von den ganz
linken Chaoten. Womit wir schon beim zweiten Satz wären: Hier
könnte dem Wort "Unrechts" eine doppelte Bedeutung
zukommen. Wenn man es nämlich kleinschreibt, fasst es Seehofers
grundsätzliche Abneigung gegenüber der Politik von Kanzlerin
Angela Merkel (CDU) zusammen. Merkel ist aus Sicht von Seehofer
unrechts, also links, also eigentlich in der falschen Partei.
Deshalb finden Grüne und SPD die Merkel ja so gut. Und die vielen
linken Journalisten auch. Alles im Grunde Herrschaften des Unrechts,
wenn man die Welt mit den Augen von Horst Seehofer sieht.
Von
den Medien und seinen politischen Gegnern wurde Seehofers "Herrschaft
des Unrechts" als böse, sogar persönliche Beleidigung von
Merkel interpretiert. Seehofer habe damit die Politik der Kanzlerin
ostdeutscher Herkunft in die Nähe der Unrechtsherrschaft in
der untergegangenen DDR gerückt. Das kann man so sehen. Womöglich
aber hat Seehofer auch nur eine gewisse Eigenmächtigkeit von
Merkel bei der Anwendung europäischer und deutscher Regeln in
der Flüchtlingskrise kritisieren wollen, aber sich im Ton vergriffen.
Dagegen spricht wiederum, dass er den Wortlaut des Interviews
autorisierte und sich danach jegliche Interpretationen verbat.
Am Mittwoch sagte er dazu den schönen Satz, den wir hiermit
zum Satz der Woche küren wollen: "Was ich nicht sage, meine
ich auch nicht."

Bei
Seehofer gilt also das gesprochene Wort. Was er sagt, meint
er so. Und wer es falsch versteht, der meint es nicht gut. Das
wäre natürlich das Ende jeglicher Textinterpretation, da könnten
Journalisten und Deutschlehrer einpacken.
Wie
anders ist da doch Kanzlerin Merkel. Bislang hat sie meist Nichtssagendes
gesagt - und es den Journalisten überlassen, zwischen den Zeilen
zu lesen. So etwas hat man in der DDR-Diktatur gelernt. In Sachen
Seehofer hat Merkel dieses Mal aber nicht einmal Nichtssagendes
gesagt, sondern garnichts. Sonst hätte sie wahrscheinlich echt
mal was sagen müssen. Die Botschaft an Seehofer ist klar: Das
Tischtuch ist zerschnitten. Und was Merkel nicht sagt, das meint
sie auch so.
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