Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (03. Januar 2016)
 
Irgendwo dazwischen
 

   Zwischen den Jahren - das war bislang immer die Zeit, in der Deutschland vor sich hin döste, die Verdauungsprozesse, das tektonische Level eines Erdbebens der Stärke sieben auf der nach oben offenen Kilojoule-Skala erreichten, in der Choräle und Bratendünste den Schnee zum Schmelzen brachten. Doch diesmal war die Luft erfüllt von Vogelgezwitscher und dem Geschrei von Kindern, die sich an Brunnen unter den erfrischenden Wasserstrahl stellten. Das nervenzerfressende Schaben der Eiskratzer wurde abgelöst vom Kratzen sehniger Skilehrerhände, die nervös durchs Brusthaar ihres Herrn pflügten und die Ankunft jeder schneeverheissenden Wolke mit einigen Flaschen Skiwilly zelebrierten. Es nutzte nichts. Die Sonne gleisste unbarmherzig, Weihnachtsmänner hinterliessen Pfützen von Schweiss, in denen sich das Lächeln der Rauschgoldengel, die in Bikinis durch Fussgängerzonen flanierten, zur Grimasse verzerrte. Mitte der Woche indes bahnte sich die Wetterwende an. Man munkelt, der Papst hätte eingegriffen.



   Klimawandel, raunten die einen, andere verwiesen auf eine nicht durch Natodraht gesicherte Luftmassengrenze, die von einer südwestlichen Strömung durchbrochen wird. Neufundland sei schuld, maulten dritte und forderten ein Einreiseverbot für die skandinavische Grosswetterlage. Klar ist, über Süd- und Osteuropa lag bleiern der Hochdruck und die Westbalkanroute kann sowieso niemand mehr kontrollieren. Der Polarstream wirbelte ohne Sinn herum und Deutschland liegt wie immer irgendwo dazwischen.

   Beobachter allerdings bezweifeln die meteorlogische Exegese der eisern lächelnden Wetterfeen in den Fernsehsendern. Luftmassenverschiebungen gab es schliesslich bereits im Mittelalter und kein Mensch habe sich beschwert. Neu sind dagegen die Wolken aus Facebook-, Twitter- und Instagrampartikeln, die sich als digitale Luftmassenströmung über Mitteleuropa breitmachten. Sie zeigten Bilder von Blaufichten, Katzen unter Blaufichten, Katzen, die in Blaufichten springen, Lametta, das von tobsüchtigen Katzen zerfetzt wird, qualmenden Ofenschlünden, die Süssteigprodukte entlassen, schliesslich brennende Blaufichten und ikonische Grimassen aus dem digitalen Reservoir.



   Mehr noch. Nie zuvor wurden so viele Vorsätze veröffentlicht geteilt. Der "Handykurier" berichtet, Horst Seehofer habe seinen persönlichen Referenten, einen gewissen Dr. phil. tel. Raphael Attenwenger, beauftragt, alles über Seinsmerkmale wie Gelassenheit, Selbstkritik und Duldsamkeit herauszufinden. Ihre anschliesende Freisetzung habe in Bayern ein Mikroklima von lichter Heiterkeit entfesselt, die an die Zeit des Märchenkönigs Ludwig erinnerte. Experten erwarten, dass diese Wolken an Gutgemeintem frühesten in 30 Jahren abgebaut sind - aber nur, wenn sich die Industriestaaten auf ein Zwei-Tweet-pro-Tag-Ziel einigen. Aus dem digital überspülten Mitteleuropa würden dann nur noch die Alpen herausragen. Ob sie dann noch beschneit werden können, ist offen.

 

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