Nach allgemeinem Dafürhalten
hat Kanzlerin Merkel diese Woche eine historische Rede gehalten.
Auf dem CDU-Bundesparteitag in Karlsruhe hat sie für die Flüchtlingskrise
alles und jeden verantwortlich gemacht - ausser sich selbst
und ihre Politik. Diese Kunst, mit dem Finger auf andere zu
zeigen und somit den Ärger von sich wegzuhalten, zeichnet grosse
Reden aus. Man nennt solche Reden daher auch wegweisend.
Schuld
am anhaltenden Flüchtlingszustrom nach Deutschland sind laut
Merkel nicht ihre Willkommensgesten, sondern die allgemeinen
Verhältnisse auf der Welt, Armut und so. Flüchtlingsströme.
Globale Erderwärmung. Das alles will Merkel nun lösen - in einer
grossen Rede ist immer auch ein Schuss Grössenwahn drin. Der
Vorteil derart luftiger Ankündigungen ist, dass Merkel damit
Zeit gewinnt. Bis sie von der internationalen Bühne mit einem
blauen Auge zurückkehrt, wird es ein Veilchen dauern.

Bis
dahin müssen die Armuts- und Kriegsflüchtlinge dieser Welt halt
einfach mal ein Einsehen mit Deutschland haben und wegbleiben.
Merkels CDU hat schliesslich mehrheitlich ihrer Hoffnung Ausdruck
verliehen, der Zustrom möge sich verringern. Das ist aus Sicht
der zerstrittenen Partei natürlich ein toller Kompromiss. Allerdings
ist mehr als zweifelhaft, ob irgendein Flüchtling Parteitagsbeschlüsse
liest. Merkel hatte ja zuvor schon mal höflich rumgefragt, wie
viele Flüchtlinge denn noch kommen wollen. Die Antwort war:
Millionen! Nun ist guter Rat teuer, denn was das Ziehen von
Grenzen angeht, ist Merkel gedanklich und politisch etwas limitiert.
"Grenze"
ist in diesem Jahr zum Unwort geworden. Die Deutschen mussten
lernen, dass es ihre Kanzlerin für richtig hält, Deutschlands
Grenzen nicht mehr zu sichern. Das gehe erstens gar nicht und
sei zweitens unmenschlich. So mancher fragt sich zwar im Stillen,
wozu es dann noch eine nationale Regierung braucht, aber er
hält lieber den Mund. Immerhin hat Merkel Privatleuten das Grenze-Flechten
noch nicht verboten.
Alles hat sein
Grenzen! Man muss Kindern Grenzen setzen! Mit solchen Volksweisheiten
ist Deutschland aufgewachsen. Und jetzt soll das alles nicht
mehr gelten? Das Wort "Obergrenze" dürfen CDU-Mitglieder
im Zusammenhang mit Flüchtlingen nicht einmal mehr in den Mund
nehmen. Und zwar auch deshalb, weil die Schwesterpartei CSU
provokativ mit diesem Begriff operiert und für die Kanzlerin
auf ihrem Parteitag kürzlich Sticheldraht ausgerollt hat.

Tatsächlich
will auch Merkel Grenzen. Sie will sich nur nicht die Hände
schmutzig machen. Wie einst Kanzler Kohl zückt sie das Scheckbuch
und bezahlt der Türkei Milliarden dafür, dass die ihre Grenze
besser sichert. Wie die Türkei das umsetzt, will Merkel garnicht
wissen. In einem Land wie Deutschland, in dem den Bürgern selbst
das Ponyreiten zu grausam geworden ist, scheint das die richtige
Strategie, statt eine Obergrenze festzulegen, lieber bei anderen
eine Grenze bestellen. Und zwar eine, die möglichst weit weg
ist.
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