Normalerweise geht es in
dieser Kolumne um Dinge wie von weltpoltischer Bedeutung. Wenn
ich heute vom bewährten Konzept abweiche, dann aus gutem Grund.
Jedes Mal, wenn ich längere Zeit jogge, tut mir ein Zeh weh.
Er ist immer der selbe.
Nach einem
Halbmarathon ist er schon mal blau angelaufen. Nach Wochen des
Leidens hat sich der Nagel verabschiedet - und das, obwohl meine
Laufschuhe gross genug sind. Als er neulich bereits bei Kilometer
fünf zwickte, habe ich mir überlegt, ob ich zum Arzt gehen soll.
Dabei ist mir aufgefallen, dass ich den Zeh garnicht benennen
könnte.
Ich könnte nur mit dem Finger
auf ihn zeigen. Oder sagen: "Herr Doktor, mich plagt der
Zeh links vom grossen Zeh meines linken Fusses." Mich würde
es überfordern, aber vermutlich sind Orthopäden speziell geschult.

Schon
erstaunlich, da muss ein Mensch mehr als eine halbe Jahrhundert
über diesen Planeten joggen, bis ihm klar wird, dass es einen
bemerkenswerten Unterschied zwischen Händen und Füssen gibt.
Die Finger der Hand haben allesamt Namen, von den Zehen benennen
wir nur den grossen und den kleinen. Offenbar sind uns die Hände
näher als die Füsse.
Ich hätte einen
kleinen Zeh darauf verwetten können, dass wenigstens Ärzte die
einzelnen Zehe benamst hätten, aber dem ist nicht so. Der wissenschaftliche
Begriff für die Zehen lautet Digiti pedis. Sie werden dadurch
unterschieden, dass man sie von innen nach aussen mit römischen
Zahlen durchnummeriert, beginnend mit dem Digiti pedis I. Nur
beim grossen (Hallux) und beim kleinen Zeh (Digitus minimus)
hat es zu Eigennamen gereicht.
Offenbar
wurde sogar schon darüber nachgedacht, die Zehen analog zu den
Fingern als Zeigezeh oder Ringzeh zu bezeichnen. Doch die Diskussion
erbrachte nichts, sie verlief eher zeh. Ich habe beschlossen,
mir den Arztbesuch zu schenken, denn inzwischen ahne ich, warum
der Zeh links vom grossen Zeh meines linken Fusses schmerzt.
Es ist die stille Rebellion eines Namenlosen.
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