Deutschland kuschelt wieder.
Es ist Herbst - jene Zeit, in der aus den Kitas und Schulen
Choräle gellen und die Nebelscheinwerfer der Geländewagen wie
die gelben Finger eines kettenrauchenden Barpianisten in den
Dunst greifen. Der Mensch möchte einen Roman schreiben, seinen
schweren Körper in Form bringen, im Beruf mit überraschenden
Ideen glänzen, doch eine wohlige Apathie zwingt ihn nieder.
Er bettet sich auf Zimt-Mandel-Aromakissen, trinkt Vanilletee
mit Kardamom-Splittern und schaut mit glasigen Augen in die
Backröhre, wo sich Bratäpfel in Gebilde verwandeln wie Figuren
eines in den siebziger Jahren gedrehten Alien-Films. Er sieht
all die Scheusslichkeiten der realen Welt und fröstelt.

Draussen
zieht das Leben weiter. Nach wochenlanger Verwirrung hat die
Politik wieder das Heft des Handelns an sich gerissen. In Bayern
wurde die erste grosse Transitzone eingeweiht. Horst Seehofer
und die Spitzen der CSU liessen es sich nicht nehmen, den weiss-blau
geschmückten Nato-Stacheldraht-Zaun selbst mit der Drahtschere
zu durchschneiden. Punkt 12 Uhr feuerten die bayerischen Gebirgsschützen
ein paar Salven ab, die ausbrechende Panik konnte rasch eingedämmt
werden. Zahllose Prominente strömten über den roten Teppich
ins Innere. Die Eindrücke waren fast einhellig popsitiv. Till
Schwieger. "Sieht alles sehr gut aus, aber wenn ihr mich
noch mal beim Lachen fotografiert, gibt's Ärger." Claudia
Roth: "Dieses Lager kann erst eröffnet werden, wenn ich
alle 23000 Insassen umarmt habe. Aber irgendwie scheinen die
Angst vor meinen Wintermantel zu haben. Die laufen alle weg."
Akif Pirincci: "Der Drahtzaun ist nicht elektrisch geladen.
Die Deutschen wissen nicht mehr, wie man richtige Lager baut.
Und weshalb tragen die Schwulen keinen rosa Winkel?" Angela
Merkel: "Das ist alles erst der Anfang. Ich bin mit meinen
europäischen Kollegen im Gespräch. Albanien ist bereit, sich
komplett in eine Transitzone umwandeln zu lassen.Mit Zaun, Klimaanlage
und auf Wunsch veganer Küche. Ist eh nicht viel los da unten.
Wir bezahlen natürlich alles."

Kehrt
nun wieder Ordnung in die Berliner Koalition ein? Beobachter
bezweifeln das. Die Empfindlichkeiten und Kränkungen liegen
tiefer als der Dissens in der Flüchtlingsfrage, Es muss vor
drei Jahren gewesen sein, als Gabriel auf einem Staatsbankett
vor den Augen von Peter Altmaier die letzten 23 Schinkenröllchen
mit Mayonaise gegessen hatte. Altmaier liess daraufhin die Körperfettwerte
des SPD-Chefs an den US-Nachrichtendienst durchsickern. Ursula
von der Leyen spielte dem Boulevard die Mallorca-Urlaubsfotos
ihres Amtsvorgängers de Maizière zu. Er sass in einer Serrano-Villa
und ass einen Finka-Teller. Es kann aber auch umgekehrt gewesen
sein. Schliesslich torpedierte die SPD Pläne von Verkehrsminister
Dobrindt, entlang der Westbalkanroute Mautstellen zu errichten.
Dobrindt kündigte eine Gegenoffensive mit Sternsingern aus dem
oberbayerischen Pfaffenwinkel an. Deutschland vergräbt sich.
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