Eine Aktion der Flüchtlingsinitiative
Sea Watch auf der Spree hat diese Woche hohe Wellen geschlagen.
Politiker und Journalisten waren im Berliner Regierungsviertel
in ein waschechtes Schlauchboot gestiegen, das Sea Watch im
Juli aus dem Mittelmeer vor Libyen gefischt hat, mit 120 Menschen
an Bord. Im Netz hagelte es böse Kommentare ob der medialen
Schwimmübung "auf der rauen Spree". Ein Facebook-Nutzer
schrieb: "Damit ist dann auch der letzte Stück Verstand
über Bord gegangen."
Natürlich,
wie die Damen und Herren Parlamentarier in orangefarbenen Schwimmwesten
über ihren Übergangsmänteln auf dem aalglatten Waser dümpelten,
das sah schon reichlich bescheuert aus. Bewegung ins Laienspieltheater
kam erst, als wendige Boote mit Kameraleuten an Bord die Spree
aufwühlten - so erinnerte die Szenerie ein wenig auch an eine
Walrettungsaktion von Greenpeace. Wenn der Eindruck nicht trügt,
war das Gros der teilnehmenden Polit-Nasen dem linken Spektrum
zuzuordnen. In der Sprache der Seeleute heisst das: Sie kamen
von Backbord.

Wer
ganz genau hinsah, der konnte tiefe Betroffenheitsfalten auf
der Stirn der hernach interviewten Damen und Herren erkennen,
als sie wieder Land unter den Füssen hatten. Im Grunde haben
Polit-Promis wie Sahra Wagenknecht von der Linken und Simone
Peter von den Grünen nur einen Ratschlag des grossen Interviewers
Reinhold Beckmann beherzigt: Sie wollten fühlen, wie sich das
so anfühlt, auf so einem Flüchtlingsboot auf hoher Spree. Kann
man auch nicht wissen, wenn man so ein Ding nie von innen gesehen
hat.
Hinterher sagte Frau Wagenknecht,
sie stelle sich das "ganz schlimm vor", über das Mittelmeer
zu treiben - ein nachdenklich stimmender Satz, der mutmasslich
an die Adresse all jener gerichtet war, denen beim Anblick von
Flüchtlingsbooten im Fernsehen die folgende Volksweise durch
den Kopf geht: "Eine Seefahrt die ist lustig, / eine Seefahrt
die ist schön, / ja da kann man manche Leute / an der Reling
kotzen seh'n."
Im Grunde muss
man als Volk doch froh sein, wenn unsere Bundestagsabgeordneten
das Hohe Haus verlassen, um das Übel der Welt am eigenen Leib
zu erfahren. Vielleicht war die Übung ja auch nur der Anfang.
Wer sagt uns, dass das nächste mit Polit-Prominenz beladene
Schlauchboot nicht vor Libyen ins Wasser gelassen wird - am
besten unter Anleitung des Ex-Stuntman und Extremsportvermarkters
Jochen Schweizer. Man muss die Sache ja nicht bis zum bitteren
Ende durchspielen.

Ausserdem,
dass Politiker sich für nichts zu schade sind und sich auf Augenhöhe
mit dem gemeinen Volk begeben, ist so neu nicht. Sich auf Volksfesten
durch die Bierzelte zu saufen, ist ja gewiss nicht das reine
Zuckerschlecken.
Am schönsten aber
ist, dass die tiefe Erkenntnis der Schwimmübung parteiübergreifend
ist, rief sie doch ein Oettinger-Wort ins Gedächtnis: "We
are all sitting in one Schlauchboot."
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