"Nee. ehrlich, Alder.
Ich fühl mich echt irgendwie voll getrieben. Immer muss ich
facebooken. Aber klar. Weil: Hart abswagen und entschleunigen
kannstu kicken. Liken, frienden, posten, submitten, bis die
Pfote glüht. Krass. Und dann mussdu noch deine Profile aufbitchen
und mit allen möglichen coolen Leuten da draussen in touch bleiben,
alles Sachen, die wie echt stressen. Ey, konkret würde ich auch
viel lieber mit meinen Freunden wacken oder mal wieder duschen
oder was mit Vitaminen snacken oder korrektes Deutsch blubbern,
yo Digger. Aber wir machen heute eben alles per WhatsApp. Phat!
Ablabern am Handy dauert einfach zu lang."
Dieses
Zitat stammt nicht etwa aus dem dieser Tage posthum erschienenen
und in kaschubischer Mundart verfasstem Buch "Vonne Endlichkeit"
von Günter Grass, das die Kritik voller Spannung erwartet hat
und in den ersten Rezensionen mit der "ungemein zärtlichen
Sprachwucht" (Hellmuth Karasek) des frisch gedruckten Ikea-Katalogs
vergleicht. Nein, diese Sätze wurden soeben am Nebentisch belauscht,
sie stammen von einem noch jungen, rhetorisch versierten und
mit Preisen überhäuften Feuilleton-Redakteur unserer Sparte,
der sich wieder einmal darüber beschwert, dass er nach Feierabend
nicht herunterkommen kann.

Doch
mit der Klage ist der Kollege nicht allein. Noch nie waren die
Deutschen in der Freizeit so gestresst wie heute, so das erschütternde
Ergebnis einer neuen Studie. Die Jungen fühlen sich demnach
genervter als die Älteren, Dunkeldeutsche mehr als Helldeutsche,
Frauen mehr als Männer, Möpse mehr als Spitze. Alle sind kurz
vor dem Burnout wie der Föhn von Donald Trump. In der Umfrage
kam das Nichtstun kaum noch als Hobby vor, höchstens noch unter
Akademikern in Duisburg-Marxloh und rechtseitig der Isar.
Stattdessen
wird nach der Arbeit jede freie Sekunde genutzt. Ob beim Herunpöbeln
auf dem Parkplatz, an der Baumarktkasse oder in der endlosen
Warteschlange auf dem Grillplatz. Überall wird auf dem Smartphone
schnell noch was erledigt oder im Internet gesurft. Xing, LinkedIn,
Facebook. Gerade die jüngeren Leistungsträger verbringen Stunden
mit der intensiven Pflege ihrer Profile, was zu übersteigerten
Selbstliebe und Hautirritationen infolge unsachgemässer Verwendung
von Schönheitsprodukten führen kann, warnen Ärzte.

Kaum
Sport und zu viel Medienkonsum. So sieht der triste Freizeitalltag
vieler Mitbürger aus. Manche lesen aus Verzweiflung Verse in
kaschubischer Mundart, Glossen wie dieser oder die intellektuell
anspruchsvolleren Bastelanleitungen für zwei neue Billy-Regale,
was Einsamkeit und Appetitlosigkeit zur Folge hat. Das immerhin
ist gesund an der nervigen Freizeit. Man speckt ab. Und tatsächlich:
Einer weiteren Studie zufolge ist die deutsche Mittelschicht
weiter geschrumpft wie der Bauch des neuesten Pumuckl. Wie heisst
es doch so schön: Weniger ist mehr!
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