Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (23. August 2015)
 
Wann ist ein Mann kein Mann?
 

   Sommermorgens: Frühstückszeit. Man weiss, dass man sich im Szeneviertel einer süddeutschen Grossstadt befindet, wenn im Cafe zwei Bartträger in Begleitung ihrer transsexuellen Smartphones bei einem Glas Bio-Holunderschorle ein typisches Männergespräch führen, in dessen Verlauf 792-mal die Vokabeln "organisch" und "achtsam" fallen.

   Während der mit der Smoothie-Wampe das schlechte Klimagewissen plagt, weil er sich in seinem frisch erworbenen Eigenheim in City-Lage den Luxus eines beheizten Toilettensitzes mit Stuck leistet, tröstet ihn sein Kumpel (Ringelsocken) mit einer neuen Rezeptvariante für den etwas anderen Guacamole-Dip. Es kommt die gepiercte Kellnerin vorbei, die eigentlich studierte Archäologin und Ausdruckstänzerin ist, und wirft mit ihrem tätowierten, muskelbepackten Arm zwei vegane Wraps mit Hummus hin. Leider hat sie die Kresse vergessen. Der Ringelsocken-Typ ist den Tränen nahe wie letztens Claus Kleber im "Heute Journal". Sieht trotzdem alles lecker aus.



   Aber irgendwann ist auch mal gut. Schliesslich gibt es sie noch, die echten Männer. Die eiskalt duschen. Die föhnen wie Donald Trump. Nach Irisch Moos riechen, Die das Horoskop in der Sonntagszeitung lesen. Blutwurstfrühstück fassen. Mit ausgeschalteter Sitzheizung im Familienpanzer zum Stammtisch um die Ecke fahren. Drei Parkplätze vor der Kneipe zustellen. Kleines Herrengedeck anweisen. Und noch eins, sich heiser bellen. Das Phrasenschwein füttern.

   Doch dieses Ideal verliert sich in der Provinz wie das Haar auf dem Hinterkopf, das traditionelle Männerbild hat in den Metrolen ausgedient. Wo man früher in Trinkhallen auf Pomadenpfützen ausrutschte, öffnen nun Creative Labs, die nach Lavendel duften. Nicht nur das Obst uf den Bäumen wird weich. Der Flüchtlingsbeauftragte der Regierung Till Schweiger entschuldigt sich für sein perfektes Mantafahrer-Deutsch. Ein knallharter Nachrichtensprecher fängt an zu schluchzen. Wilfried von den Wildecker Herzbuben zeigt sich beim "Promi Big Brother" kurzatmiger als ein Mops. Und der neue Pumuckl? Hat Magersucht wie ein Schwabinger Hipster. Wie bemerkte Hugo Egon Balder so klug: "Früher gab es Sex, Drugs und Rock'n'Roll. Heute haben wir Frauenquote, Rauchverbot und Laktoseintoleranz."



   Dieser Wandel der Geschlechterrollen geht selbst an konserativen Parteien nicht spurlos vorbei. Die CDU beispielsweise hat dieser Tage eine Parteireform angekündigt, wonach sie jünger werden wolle, weiblicher, frei nach dem Motto: Wandel durch Anbiederung. Um in den Ballungsräumen mal wieder eine Bürgermeisterwahl zu gewinnen, werden ausgewählte Leistungsträger mit Kastenbrillen und Vollbärten zum Ankleben ausgestattet. Künftig sollen alle aussehen wie dänische Fenstersimsdekorateure. Volker Kauder war gestern für eine Stellungsnahme nicht zu erreichen. Anscheinend war der Zuchtmeister der Unionsparteien noch auf einer Dienstreise. Wahrscheinlich eine Craft-Beer-Verkostung in Kreuzberg.

 

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