Unsere Zeitung wird zu wesentlichen
Teilen in einer Stadt hergestellt, in der Goldgräberstimmung
herrscht. An allen Ecken und Enden wird gegraben, die Einheimischen
sagen dazu wohl "'s wird buddelt".
Die
Grabungsarbeiten lassen niemanden unberührt, weder die Bewohner
der Stadt im Umbau noch das Erdreich noch den darüber rollenden
Verkehr, der meist steht. Aus diesem Grund haben sich die örtlichen
Radioanstalten überlegt, ob man anstelle der halbstündlichen
Staumeldungen nicht besser jene Strassenabschnitte vermelden
soll, auf denen es gerade läuft. Immerhin würden sich dadurch
die Verkehrsdurchsagen dramatisch verkürzen.

Ein
exzellenter Plan, findet unsere Verkehrsredaktion, die ihrerseits
überlegt, wie sie dem autofahrenden (oder eben nicht-fahrenden)
Volk einen Dienst erweisen kann - im Grunde eine Selbstverständlichkeit
in Zeiten, in denen sich Medienhäuser nach neuen Betätigungsfeldern
umschauen müssen.
In Absprache mit
der Chefredaktion werden unsere Verkehrsexperten und die ihnen
unterstellten Hostessen künftig als Stauberater 2.0 auf Achse
sein. Der Anhang 2.0 ist ein Hinweis darauf, dass unsere Mission
mit der altbackenen Stauberatung des ADAC nichts zu tun hat.
Wir werden nicht zu den Menschen gehen, um sie im Glauben zu
wiegen, es gäbe einen Ausweg aus dem Stau.
Uns
ist daran gelegen, Automobilisten reinen Wein einzuschenken.
Wir werden ihnen alkoholfreie Erfrischungsgetränke und Obst
reichen und bei Bedarf auch ein Zeitungsabo vermitteln. Wir
werden ihnen aus der aktuellen Zeitungsausgabe vorlesen - selbstverständlich
keine Staugeschichte. Im Flieger laufen ja auch keine Filme
über Flugzeugabstürze. Und wir werden den Menschen erklären,
dass nach diesem Stau schon wieder der nächste steht.

Wenn
Sie demnächst wieder mal feststecken, ein freundlicher Mensch
an Ihre Scheibe klopft und Sie fragt: "Was können wir für
Sie tun?", dann seien Sie nett zu ihm. Anders als die Supermarktkassenfloskel
"Waren Sie mit ihrem Einkauf zufrieden?" ist unsere
Frage ernst gemeint. Wir wollen, dass Sie sich im Stau wohlfühlen
- stauwohl. Wir wollen, dass Sie sich von der Vorstellung verabschieden,
ein kleines, unbedeutenes Teil einer anonymen Blechmasse zu
sein.
Um dahin zu gelangen, bedarf
es einiger Übungen, bei denen wir Sie selbstverständlich unterstützen
werden. Wir werden mit leichten Atem- und Sprechübungen anfangen.
"Ja, du bist mein Stau, du gehörst zu mir! Hier bin ich
Mensch, hier darf Ich's sein!" Wichtig erscheint uns eines:
Noch bevor wir bei Ihnen auftauchen, sollten Sie für sich essenzielle
Fragen geklärt haben. "Entspricht das Stop-and-go-Verhalten
dieses Staus meinem natürlichen Lebensrhytmus? Oder hätte ich
es gern eine Spur flüssiger?"
Wie
gesagt, wir kennen nicht den Weg aus dem Stau, aber wir wissen
vielleicht, wo einer steht, der am besten zu Ihnen passt. Stau
mer mal!
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