Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (09. August 2015)
 
Was können wir für Sie tun?
 

   Unsere Zeitung wird zu wesentlichen Teilen in einer Stadt hergestellt, in der Goldgräberstimmung herrscht. An allen Ecken und Enden wird gegraben, die Einheimischen sagen dazu wohl "'s wird buddelt".

   Die Grabungsarbeiten lassen niemanden unberührt, weder die Bewohner der Stadt im Umbau noch das Erdreich noch den darüber rollenden Verkehr, der meist steht. Aus diesem Grund haben sich die örtlichen Radioanstalten überlegt, ob man anstelle der halbstündlichen Staumeldungen nicht besser jene Strassenabschnitte vermelden soll, auf denen es gerade läuft. Immerhin würden sich dadurch die Verkehrsdurchsagen dramatisch verkürzen.



   Ein exzellenter Plan, findet unsere Verkehrsredaktion, die ihrerseits überlegt, wie sie dem autofahrenden (oder eben nicht-fahrenden) Volk einen Dienst erweisen kann - im Grunde eine Selbstverständlichkeit in Zeiten, in denen sich Medienhäuser nach neuen Betätigungsfeldern umschauen müssen.

   In Absprache mit der Chefredaktion werden unsere Verkehrsexperten und die ihnen unterstellten Hostessen künftig als Stauberater 2.0 auf Achse sein. Der Anhang 2.0 ist ein Hinweis darauf, dass unsere Mission mit der altbackenen Stauberatung des ADAC nichts zu tun hat. Wir werden nicht zu den Menschen gehen, um sie im Glauben zu wiegen, es gäbe einen Ausweg aus dem Stau.

   Uns ist daran gelegen, Automobilisten reinen Wein einzuschenken. Wir werden ihnen alkoholfreie Erfrischungsgetränke und Obst reichen und bei Bedarf auch ein Zeitungsabo vermitteln. Wir werden ihnen aus der aktuellen Zeitungsausgabe vorlesen - selbstverständlich keine Staugeschichte. Im Flieger laufen ja auch keine Filme über Flugzeugabstürze. Und wir werden den Menschen erklären, dass nach diesem Stau schon wieder der nächste steht.



   Wenn Sie demnächst wieder mal feststecken, ein freundlicher Mensch an Ihre Scheibe klopft und Sie fragt: "Was können wir für Sie tun?", dann seien Sie nett zu ihm. Anders als die Supermarktkassenfloskel "Waren Sie mit ihrem Einkauf zufrieden?" ist unsere Frage ernst gemeint. Wir wollen, dass Sie sich im Stau wohlfühlen - stauwohl. Wir wollen, dass Sie sich von der Vorstellung verabschieden, ein kleines, unbedeutenes Teil einer anonymen Blechmasse zu sein.

   Um dahin zu gelangen, bedarf es einiger Übungen, bei denen wir Sie selbstverständlich unterstützen werden. Wir werden mit leichten Atem- und Sprechübungen anfangen. "Ja, du bist mein Stau, du gehörst zu mir! Hier bin ich Mensch, hier darf Ich's sein!" Wichtig erscheint uns eines: Noch bevor wir bei Ihnen auftauchen, sollten Sie für sich essenzielle Fragen geklärt haben. "Entspricht das Stop-and-go-Verhalten dieses Staus meinem natürlichen Lebensrhytmus? Oder hätte ich es gern eine Spur flüssiger?"

   Wie gesagt, wir kennen nicht den Weg aus dem Stau, aber wir wissen vielleicht, wo einer steht, der am besten zu Ihnen passt. Stau mer mal!

 

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