Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (05. Juli 2015)
 
Gute Wässerung!
 

   Im Büro wird meteorologisch nicht so genau differenziert, da gibt es eigentlich nur zwei Jahreszeiten: Sommer und Winter. Im Winter rutscht man schon im Eingangsbereich auf den glatten Steinfliesen aus, weil die Leute den Schnee mit ins Haus schleppen. Der Garderobenständer im Grossraumbüro hängt voller schwarzer Mäntel, auf den Tischen liegen Weihnachtspostkarten, und jedes Öffnen eines Fensters wird heiss diskutiert zwischend denen, die es gerne frisch haben, und denen, die keinen Luftzug vertragen.

   Der Sommer kündigt sich dann mit Fensterputzern an, die unvermittelt vor einem auftauchen, während man mit dem Blick nach draussen das richtige Wort beim Schreiben einer Mail sucht. Kaum hat man den Schreck überwunden, steigt der Kollege auf leisen Socken auf seinen Schreibtisch, um ganz oben am Fenster irgendein Insekt zu töten, das ihn nach eigenen Angaben mit dem Tode bedroht. Dieser sportliche Höhepunkt des Tages wird von lauter lustigen Sprüchen aus der Tiefe des Raumes begleitet.



   Zum Töten des Insekten nimmt der Kollege gerne eine zusammengerollte Tageszeitung, wovon sich unsere Redaktion aus Gründen des Tierschutzes ausdrücklich distanziert. Gerade in Zeitungen wie dieser wird doch immer wieder darauf hingewiesen, dass man Tiere auch umsiedeln kann. Der betreffende Kollege schreibt auch gerne darüber.

   Insgesamt ist der Sommer natürlich auch im Büro die deutlich angenehmere Jahreszeit - solange der Sommer es nicht übertreibt. Bei grosser Hitze, wie wir sie seit mehreren Tagen haben, brechen firmenintern wieder die Konflikte bezüglich der notwendigen Luftzirkulation aus. Braucht es einen Ventilator? Und wenn ja, darf der Ventilator auf Stufe zwei betrieben werden (frische Brise) oder muss es Stufe eins sein (laues Lüftchen)? Jeder Teil des Personalkörpers reagiert hier anders.

   Auch die Frage, wer sich um die Büropflanze der Kollegin kümmern soll, die gerade im Sommerurlaub weilt, kann zu grösseren Diskussionen führen. Angesichts der Sommerhitze verträgt diese Frage keinen Aufschub, sonst schimpft die Kollegin nach der Rückkehr die Belegschaft seien "Pflanzenmörder". Am Ende fällt die Wahl in der Regel auf eine andere Kollegin, die sich rein pflanzlich ernährt und die in ihren politischen Kommentaren den Einsatz der Giesskanne beim Verteilen von Steuergeld in der Regel nicht abgeneigt ist. Die Kollegen schauen beim Vorbeilaufen der Giesskannen-Beauftragten kurz von ihrem Schreibtisch auf und wünschen hämisch "Gute Wässerung".

   Warum der Chef eine Klimaanlage hat, die Grossraumbüros hingegen nicht, gehört zu den grossen sozialen Ungerechtigkeiten, die einem erst bei grosser Hitze auffallen. Man fragt sich, wann dieses Thema endlich auf einem dieser Klimagipfel behandelt wird. Andererseits mindert so eine Klimaanlage das schönste Erlebnis, das ein Büromensch am Ende des Tages haben kann: Sich zu Hause die Schuhe auszuziehen.

 

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