Im Büro wird meteorologisch
nicht so genau differenziert, da gibt es eigentlich nur zwei
Jahreszeiten: Sommer und Winter. Im Winter rutscht man schon
im Eingangsbereich auf den glatten Steinfliesen aus, weil die
Leute den Schnee mit ins Haus schleppen. Der Garderobenständer
im Grossraumbüro hängt voller schwarzer Mäntel, auf den Tischen
liegen Weihnachtspostkarten, und jedes Öffnen eines Fensters
wird heiss diskutiert zwischend denen, die es gerne frisch haben,
und denen, die keinen Luftzug vertragen.
Der
Sommer kündigt sich dann mit Fensterputzern an, die unvermittelt
vor einem auftauchen, während man mit dem Blick nach draussen
das richtige Wort beim Schreiben einer Mail sucht. Kaum hat
man den Schreck überwunden, steigt der Kollege auf leisen Socken
auf seinen Schreibtisch, um ganz oben am Fenster irgendein Insekt
zu töten, das ihn nach eigenen Angaben mit dem Tode bedroht.
Dieser sportliche Höhepunkt des Tages wird von lauter lustigen
Sprüchen aus der Tiefe des Raumes begleitet.

Zum
Töten des Insekten nimmt der Kollege gerne eine zusammengerollte
Tageszeitung, wovon sich unsere Redaktion aus Gründen des Tierschutzes
ausdrücklich distanziert. Gerade in Zeitungen wie dieser wird
doch immer wieder darauf hingewiesen, dass man Tiere auch umsiedeln
kann. Der betreffende Kollege schreibt auch gerne darüber.
Insgesamt
ist der Sommer natürlich auch im Büro die deutlich angenehmere
Jahreszeit - solange der Sommer es nicht übertreibt. Bei grosser
Hitze, wie wir sie seit mehreren Tagen haben, brechen firmenintern
wieder die Konflikte bezüglich der notwendigen Luftzirkulation
aus. Braucht es einen Ventilator? Und wenn ja, darf der Ventilator
auf Stufe zwei betrieben werden (frische Brise) oder muss es
Stufe eins sein (laues Lüftchen)? Jeder Teil des Personalkörpers
reagiert hier anders.
Auch die Frage,
wer sich um die Büropflanze der Kollegin kümmern soll, die gerade
im Sommerurlaub weilt, kann zu grösseren Diskussionen führen.
Angesichts der Sommerhitze verträgt diese Frage keinen Aufschub,
sonst schimpft die Kollegin nach der Rückkehr die Belegschaft
seien "Pflanzenmörder". Am Ende fällt die Wahl in
der Regel auf eine andere Kollegin, die sich rein pflanzlich
ernährt und die in ihren politischen Kommentaren den Einsatz
der Giesskanne beim Verteilen von Steuergeld in der Regel nicht
abgeneigt ist. Die Kollegen schauen beim Vorbeilaufen der Giesskannen-Beauftragten
kurz von ihrem Schreibtisch auf und wünschen hämisch "Gute
Wässerung".
Warum der Chef eine
Klimaanlage hat, die Grossraumbüros hingegen nicht, gehört zu
den grossen sozialen Ungerechtigkeiten, die einem erst bei grosser
Hitze auffallen. Man fragt sich, wann dieses Thema endlich auf
einem dieser Klimagipfel behandelt wird. Andererseits mindert
so eine Klimaanlage das schönste Erlebnis, das ein Büromensch
am Ende des Tages haben kann: Sich zu Hause die Schuhe auszuziehen.
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