Der Deutsche Bundestag,
Ort historischer Redeschlachten, Schauplatz von Intrigen, politischer
Morden, Affären, Bühne für Liebe und Verrat, wurde entblösst.
Jede poltische Absprache im Hinterzimmer, jeder frische Leberfleck
auf der Wange eines Parlamentarischen Geschäftsführer erscheint
im selben Augenblick in den Geheimdienstzentralen Chinas, der
USA oder Burkina Fasos. Der Grund: Datenhacker sind ins Herz
des deutschen Parlamentarismus eingedrungen. Sie bedienen sich
offenbar eines sogenannten Trojaners, meist ein unauffälliger
Mann mittleren Alters mit Stirnglatze, der aussieht wie alle
Lobbyisten, Zuträger oder Hinterbänkler. Der Eindringling benutzte
den Eingang für die Lieferanten hinten rechts und verbarg sich
in einem der unzähligen Weinkartons, die dort angeliefert wurden.
Kaum angekommen, sendete er hochbrisantes Material hinaus in
alle Welt.

Das
Depot mit den Kleidern von Claudia Roth etwa, das ohne farbmildernde
Schutzbrille nicht betreten werden darf. Dann die legendäre
257005stellige Datenreihe der Bundesregierung zur Entwicklung
des Ammoniakemmissionen in Deutschland. Der Trojaner enthüllte,
dass die Currywurst der Kantine von lebenden Tieren stammt und
klinkte sich in die Videoüberwachung der Herrentoilette im Paul-Löbe-Haus
ein. Die Bilder von dort sind so entsetzlich, dass sie hier
nicht beschrieben werden dürfen.
Damit
nicht genug, der mysteriöse Spion schlug sich bis ins benachbarte
Kanzleramt durch und entdeckte dort Rechnungen über drei Tonnen
Kalbsbries, mehrere ganze Thunfische, Hekatomben von Hähnchenschnitzeln
und alle im vergangenen Jahr auf Sizilien zubereiteten Antipasti.
Die Bestellung lautete auf den Namen Altmaier. Offenbar handelt
es um eine Privatinitiative des Kanzleramtchefs zur Lösung der
weltweiten Ernährungskrise. Fast wäre der Trojaner in einem
unaufmerksamen Moment selbst von Altmaier aufgegessen worden,
konnte sich aber durch einen beherzten Sprung in einen Container
mit Vitello Tonnato retten.
Was wie
eine Räuberpistole klingt, war harte und gefährliche Arbeit.
Denn die Abgeordneten benutzen ein Windows-Betriebssystem, das
kurz nach dem Krieg auf den Markt kam. Die Rechner werden über
Nacht hochgefahren und sind hochsensibel. Eine falsche Berührung
mit dem Schraubenzieher und alle Einzelkomponenten zerfallen
zu Staub, zugleich erklingt die Mundharmonika von Herbert Wehner.
Wer den Zwölf-Nadel-Druckern zu nahe kommt, der riskiert schwere
Verletzungen.

Der
Trojaner konnte noch nicht ermittelt werden. Er wechselt blitzschnell
die Parteizugehörigkeit, schimpft an einem Tag über die Griechen
und fordert am nächsten Tag die Homo-Ehe. Er döst im Plenum,
schlägt Journalisten kumpelhaft auf die Schultern und macht
sich die Tatsache zunutze, dass viele Fraktionen ihre Mitglieder
nicht mehr persönlich kennen. Die Bundestagsverwaltung reagiert:
Alle unauffälligen Männer mittleren Alters mit Stirnglatze werden
überprüft. Das kann noch Jahre dauern.
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