Die deutsche Sprache ist
eine wunderliche Sprache. Sie ist voller Poesie, frivoler Zweideutigkeiten
und dunkler Geheimnisse. Um Begriffe wie Vorsteuerabzugsberechtigung,
Homo-Ehe und Lebenspartnerschaftsurkunde beneiden uns Sprachpanscher
und Finanzämter in aller Welt. "Wir wohnen nicht in einem
Land, sondern in einer Sprache", sagte einmal der weise
Philosoph Emil Cioran. Was wiederum Anlass zur Vermutung gibt,
dass mittlerweise zahllose Bürger dieser Nation der Dichter
und Bedenkenträger in wärmebedämmten Leitz-Ordnern am Stadtrand
mit doppelt gelochter Mietpreisbremse hausen.

Wer
einmal in den Seelenschlund der kariösen Politkersprache geblickt
hat, versteht, warum der nach Friedrich Nietzsche und Lothar
Matthäus wohl bedeutendste Sprachskeptiker hierzulande ausgerechnet
mit Instrumentalmusik die grössten Erfolge feierte. Der selige
James Last schnippte, rollte den kunterbunten Klangteppich aus
und jeder verstand ihn augenblicklich - und zwar mit dem Herzen!
Glücklich ist, wer vergisst - und auf lästige Konsonanten pfeift.
Ganz
anders Angela Merkel. Die Gipfelpartyqueen swingt von einem
roten Teppich zum nächsten, gestikuliert hemmungslos auf Almwiesen,
redet andauernd irgendetwas, doch Laien verstehen keine Silbe.
Merkel schnippt nie. Bei Debatten bevorzugt sie den nonverbalen
Handkantenschlag. Ihre Stärken liegen im emotionslosen Häkeln
komplizierter, aber reissfester Satzgirlanden, mit denen sie
politische Kontroversen und Zwischenrufer mit einem Ruck erwürgt.
Merkels
Ansprachen erfordern höchste Konzentration. Wenn sie über den
Reformwillen der griechischen Regierung spricht, verzichtet
sie auf den Konjunktiv II, besser bekannt als Irrealis. Der
Konjunktiv II wird verwendet, wenn nichts mehr möglich ist,
wenn etwa Zeitungsjournalisten über ihre berufliche Zukunft
lamentieren oder der Grexit unmittelbar bevorsteht, was ungefähr
dasselbe ist. Von Merkels Sakkofarbe und der Anzahl der verwendeten
Kalendersprüche ("Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg")
hängt es schliesslich ab, ob der Dax steigt oder Hagel fällt.

Die
Kanzlerin beherrscht die Kunst der vier Adverbien ("manchmal
vielleicht auch etwas"), die Haiku-Kenner genauso entzücken
wie russische Hacker und amerikanische Geheimdienste. Doch weil
bisher niemand den Sinn hinter den zärtlich gewebten Füllwörtern
im Kanzleramt entschlüsseln konnte, sieht der Generalbundesanwalt
in der Spähaffäre weder eine Gefahr für Deutschland noch die
auf traditionelle Fortpflanzung basierende Hetero-Ehe. Studien
haben ergeben, dass ausgespähte Kanzlerhandys als Verhütungsmittel
unzuverlässig sind. Von weiteren Ermittlungen wird daher abgesehen.
Das abgehörte und immer noch vor sich hin vibrierende Mobiltelefon
wird demnächst im Olymp der Literatur zu bewundern sein, in
einer Marbacher Dauerausstellung mit dem Titel "Sonst.
Letztlich. Doch. Wieder. Schicksalsjahre einer Unverstandenen".
Man darf gespannt sein. Alternativlos.
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