Was hat der Mensch, zumal
der junge, schon über diesen Zeilen aus Psalm 23 gebrütet: "Und
ob ich schon wanderte im finsteren Tag, fürchte ich kein Unglück,
denn du bist bei mir, dein Stecken und dein Stab trösten mich."
Hey Alder, fragt sich da auch manch betagter, doch im Geiste
jung gebliebener Kirchengänger, welcher Stecken? Welcher Stab?
Gemach,
gemach. Noch bevor uns der Damit-wir-klug-werden-Kirchentag
der Protestanten mit Weisheit überschütten wird, ist der Bibel-Exegese-Abteilung
unserer Redaktion ein Licht aufgegangen - und wir lassen euch
schauen, von welch Stecken und Stab da die Rede ist. Es ist
nicht der Stab, der uns zur Züchtigung mahnt. Und auch nicht
der, der dem Nordic Walker ein treuer Weggefährte ist und den
dieser mal zornig gegen den vorbeirauschenden Fahrradfahrer
richtet.

Es
ist der Stab, an dessem Ende wir unser Schlauphone hängen, um
von uns selbst ein Bildnis zu schiessen - und zwar mit gebührendem
Abstand. Egal, ob wir allein oder in Begleitung wandern, der
Selfie-Stecken, auch Stick genannt, ist uns jederzeit Stütze
und Trost.
Niemals, rufen wir hinaus
in diesen Maienmorgen, niemals war ein Modegag unter der Sonne
so praktischer! Niemals hat eine irdische Innovation der Menschheit
besser geholfen, sich eigenhändig ins rechte Licht zu rücken!
Gepriesen
seist du, o Selfie-Stick, als Armverlängerung für das perfekte
Selbstporträt. Was haben wir früher für erbärmliche Fotos geschossen,
unwürdige Abbilde waren's, totenbleich, von Hautunreinheiten
übersät. Das war so unerträglich, dass wir schliesslich zum
Sklaven der Bildbearbeitung wurden. Ohne die hätten wir unser
Antlitz kaum dem Netz zumuten können. Doch der Selfie-Stock
erspart Photoshop.
Nimmermehr wollen
wir ihn missen, weder im finsteren Tal noch beim Liebesspiel
auf heimischer Matratze oder beim Schnappschuss frisch von der
Massenkarambolage auf der Autobahn (Jetzt sieht man endlich
auch die Blechschäden im Hintergrund). Und schon gar nicht in
den Ferien.
Der Begriff Urlaub von
der Stange bekommt mit dem Selfie-Stock eine ganz andere Bedeutung.
Je länger die vergangene Nacht war, desto länger fahren wir
ihn aus, Stick für Stick. Mit Grauen erinnern wir uns an die
Zeit, als die Selbstfotografie zwar unser Steckenpferd war,
aber es uns am Stab mangelte.

Einst
wurden Gemeinschaften ohne ihn zerrissen, denn stets musste
einer heraustreten aus der Menge, gewissermassen von der Bildfläche
verschwinden, um die Kamera zu halten. Am Ende erinnerte sich
kein Mensch mehr an die arme Seele hinter der Kamera - und es
ist, als sei sie nie dabei gewesen. Niemals mehr müssen wir
in der Fremde die Eingeborenen um Hilfe bitten, was ja doch
immer, wir verstehen uns, mit einem gewissen Risiko verbunden
war.
Der Einzige, der nie in den Genuss
der göttlichen Erfindung kommen wird, ist wohl der liebe Gott
selbst. Ausser, er ist vom Gebot "Du sollst dir kein Gottesbild
machen" befreit.
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