Er wolle mal ein wenig aus
den "Innereien der Politik" erzählen, sagte Bundeswirtschaftsminister
Sigmar Gabriel am Donnerstag auf einem Empfang in Berlin. Daraufhin
zog sich seinen Mitarbeitern der Magen zusammen, denn das wäre
ein Fall von Geheimnisverrat. Gabriel ist schliesslich Vertreter
eines Staatsorgans. Und so ein Staatsorgan hat den Mund darüber
zu halten, was die anderen Staatsorgane im politischen Organismus
den ganzen Tag so treiben.
Die Befürchtung
seiner Mitarbeiter erwies sich allerdings als unbegründet. Gabriel
redete dann doch nicht frei von der Leber weg, sondern plauderte
ein paar Belanglosigkeiten aus. Es ging darum, was er die Kanzlerin
bei der Aufarbeitung der NSA-Spähaffäre in kleinen Kreis gefragt
und was sie geantwortet habe. Der Einblick in die "Innereien
der Politik" gipfelte in dem Hinweis, dass sich Gabriel
als Wirtschaftsminister halt für die Belange der Wirtschaft
interessiert. Was den Neuigkeitswert angeht, ist das in etwa
so, als würde einer am Stammtisch sagen: Zwischen Leber und
Milz passt immer noch ein Pils.

Weil
aber der Deutsche sich schwer für Innereien zu interessieren
scheint - man denke nur an den Erfolg des Buches "Darm
mit Charme" - fasst sich unsere Redaktion für Medizin und
Wirtschaft ein Herz und versucht in dieser Kolumne auf gallige
Art und Weise den politischen Organismus näher zu erklären.
Wir wollen das mal durchgehen am Beispiel der Steuerentlastung,
die Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble für 2016 in Aussicht
gestellt hat.
Zunächst einmal: Der
Staat ist gefrässig. Dieses Jahr nehmen Bund, Länder und Gemeinden
insgesamt rund 667 Milliarden Euro an Steuern ein - das sind
fast 50 Prozent mehr als noch vor zehn Jahren. Trotzdem machen
viele Länder und Kommunen immer weiter Schulden, trotzdem verkommt
die Infrastruktur, trotzdem verlottern Strassen und Schulen.
Wie kann das sein?
Offensichtlich liegt
hier eine Organismusstörung vor. Das Hirn, das zumindestens
an der Metzgertheke zu den Innereien zählt, funktioniert nicht
richtig. Hirnlos wird Geld ausgegeben, der ganze politische
Organismus ist darauf ausgelegt. Das Geld wird aber nicht in
die Zukunft investiert, sondern vervespert - für sogenannte
Sozialausgaben, für angeblich notwendige Umverteilung. Jeder,
der Einblick in die "Innereien der Politik" nehmen
durfte, weiss das. Keiner sagt was. Es ist ein Schauspiel. Nach
jeder Wahl macht der Wahlsieger demonstrativ einen "Kassensturz"
und tut dann schockiert, weil ihm die Vorgängerregierung so
gar nichts übrig gelassen hat. Ausser natürlich noch mehr zwangsläufige
Ausgaben und noch mehr Schulden.

So
wächst der Organismus, wird fett, träge und immer teurer. Damit
der Steuerzahler trotzdem bei Laune bleibt, werden ihm regelmässig
Entlastungen in Aussicht gestellt, für die es eigentlich gar
keinen Spielraum gibbt. Entsprechend fallen sie dann auch aus.
Die Entlastung nächstes Jahr soll pro Steuerzahler und Monat
gerade mal drei Euro betragen. Das ist das, was hinten rauskommt.
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