Ich bin mir nicht sicher,
ob Sie es diesem Text anmerken werden: Ich sitze im Regenmantel
unter einem Regenschirm in einem Raum, dessen Türknauf ich abmontiert
habe, so dass niemand hereinkommen und mich bei einem kreativen
Prozess stören kann, der gemeinhin als Schreiben bezeichnet
wird.
Diese
eigenwillige Art der Textproduktion ist nicht auf meinem Mist
gewachsen. Den Tick mit dem Regenschirm habe ich von dem Philosophen
Sören Kierkegaard geklaut, der bei Wind und Wetter spazieren
ging, dabei grosse Gedanken wälzte und sich hinterher, ohne
sich seiner Regenklamotten zu entledigen, an den Schreibtisch
setzte. Der Türknauftrick stammt von dem Schriftsteller William
Faulkner, der es nicht leiden konnte, wenn jemand in sein Arbeitszimmer
platzt.
Kierkegaard und Faulkner sind
nur zwei von 161 grossen Köpfen, deren Arbeitsmethoden und Marotten
der Autor Mason Currey in „Daily Rituals: How Artists Work“
beschreibt. Leider sind meine Englischkenntnisse nur rudimentär,
so dass ich mir nicht sicher bin, ob ich alles richtig verstanden
habe. Aber im Fall von Mark Twain scheint mir die Sache schlüssig:
Anders als wir Kleingeister der Gegenwart rief Twain während
des Schreibens nicht ständig seine E-Mails ab. Beethoven soll
beim Komponieren nie Radio gehört haben, nicht mal SWR 2.
Natürlich,
es gibt keine Garantie dafür, dass der Geist von uns schlichten
Gemütern beflügelt wird, nur weil wir die Arbeitsmethoden der
Genies kopieren. Aber man kann es ja mal versuchen.

Überhaupt
nicht aus der Welt scheint mir die Methode Freud: Der Begründer
der Psychoanalyse liess sich von seiner Frau morgens Anzug,
Hemd, Taschentücher etc. herrichten, damit sein Hirn nicht von
lästigen Alltagsdingen behelligt wurde. Ich kenne Herrschaften,
bei denen bis ins hohe Alter ähnlich verfahren wurde – ohne
dass sie jemals etwas Weltbewegendes hervorgebracht hätten.
Vermutlich wurde eine Kleinigkeit versäumt: Frau Freud drückte
ihrem Sigmund auch die Zahnpasta auf die Bürste.
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