Die Griechen machen uns
ja gehörig zu schaffen. Halb Europa taumelt ihretwegen zwischen
Instabilität, Verwirrung und Wahnsinn. Doch mitten in dieser
ökonoischen Dystrophie vollzieht sich unaufhaltsam der Aufstieg
Deutschlands zur letzten Supermacht. Hellsichtige Experten haben
das längst vorhergesehen. Deutschland hatte in Kultur, Wissenschaft
und Politik eine so unbestreitbare Vorrangstellung übernommen,
dass sich historisch gebildete Zeitgenossen an Epochen erinnert
fühlen, in denen nur ein wenig mehr Luftunterstützung zum Endsieg
... aber lassen wir das.

Klar
ist: Die Deutschen haben die Rasenkante erfunden, sie haben
zum ersten Mal Kunst und Massentransport versöhnt. Ihre Tütensuppen
ernähren die Welt, ihre Tannenbäume stehen wie Elitesoldaten
in der Landschaft und auch ihre Volksfeste wurden weltweit kopiert.
Wirkungsmächtige Ideen haben von deutschen Boden aus ihren Siegeszug
angetreten. Vollwertküche, Steuerhinterziehung, Mülltrennung,
Frösche über die Strassen tragen. Jetzt im Frühjahr manifestiert
sich die materielle und geistige Überlegenheit Deutschlands
in der Figur des deutschen Osterhasen. Er ist schneller und
klimafreundlicher als französische Wildschweine, britische Füchse
und italienische Fasanen. Sein Lungenvolumen ist grösser als,
seine Tragfähigkeit gleicht einem Containerschiff, er ist umfassend
gebildet. Und - er schweift nicht ziellos umher, sondern arbeitet
das ihm auferlegte Arbeitsprogramm ab. Schulden macht er nie.
Kurzum, er verbessert in ganz Europa Angst, Hass und Neid.
Vor
dem Hintergrund dieser kulturellen Hegemonie ist der Umgang
mit verantwortungslosen und kritikunfähigen Verwandten wie Griechenland
natürlich sehr schwierig. Dennoch hat Deutschland besonnen reagiert.
Man hat auf die Entsendung von Fallschirmjägern nach Kreta verzichtet
- natürlich auch aus den Gründen mangelnder Transportkapazitäten.
Nachdem der Zoll zu Beginn der Woche den griechischen Regierungschef
Alexis Tsipras an der Grenze aufgegriffen hatte, schickte man
ihn nach ausführlicher Personalienfeststellung nicht zurück,
sondern stattete ihn mit Socken, Schuhen und einer Bahnkarte
aus, die es ihm ermöglichte, Berlin zu erreichen. Als er im
Kanzleramt Einlass begehrte, wurde ihm beschieden, er möge sich
rasieren, waschen und das Gedicht "Abendlied" von
Gottfried Keller auswendig zu lernen. Nach kaum zwei Tagen Quarantäne
führte man den Besucher aus Athen in den Besprechungsraum "Tannenberg"
im zweiten Geschoss des Kanzleramts.

Das
Ergebnis der Gespräche können sich sehen lassen. Griechenland
ist der neue Vorgarten Deutschlands. Der Peleponnes wird zum
Carport, in den jeder Deutsche seinen VW Turan abstellen kann.
Bars und Oberhemden müssen geschlossen bleiben, in jeder Amtsstube
hängt ein Bild von Markus Söder. Griechenland verwandelt sich
unter deutscher Führung in eine Oase der Strebsamkeit. Dennoch,
irgendein schales Gefühl lässt die Griechenkrise zurück. Diese
Blicke ... Bemerkungen ... Warum mag uns der Rest von Europa
nicht? Wir machen doch immer alles richtig!
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