Schon bemerkt? Der Frühling
ist da. Wieder einmal. Es zwitschern die Vögel, spriessen die
Blumen, schwirren die Pollen wie Politiker durch die Luft. Das
Niesen, Röcheln, Sabbern, Schnurzeln, und Schniefen erinnert
wieder einmal in manchen Grossraumbüro deutscher Zeitungsredaktionen
bisweilen klangtechnisch an an eine postgrippale Einspielung
von Robert Schumanns Frühlingskakafonie Nr. 1, Bäh-Dur, in der
Orchesterbesetzung für zwei Tröten, drei Presslufthämmer, vier
Kreissägen und sechs Aufsitzrasenmäher mit manueller Grasfangsackentleerung
(molto infernale).

Neben
diesen akustischen Nebenwirkungen kommen bei vielen noch Schlappheiten,
Stimmungsschwankungen und Schwindelgefühle hinzu. Gerade Schwangeren,
Kinder, verzweifelte Griechen und noch verzweifeltere VfB-Stuttgart-Fans
mit Dauerkarten sind besonders betroffen. Manche suchen ihr
Heil in überfüllten Gartencentern und warten an den Kassen,
bis ihnen von der psychedelischen Wirkung der Osterdekoration
made in China blümerant wird. Andere fackeln halb Frankfurt
ab und verschlucken sich am blindmachenden Rauch.
Immerhin:
Die homöopathische Abteilung im Bundestag unter der Leitung
von Doktor Cem empfiehlt gegen Frühjahrsdepressionen 30 Gramm
Cannabis für den täglichen Eigenbedarf, was dem geistigen Umnachtungsgrad
nach 120 Joints aus Bundeswehrbeständen beziehungsweise zehn
Staffeln "Germany`s Next Topmodel" nonstop entspricht.

Seriöse
Mediziner betonen allerdings, dass triefende Gesichtsrüssel,
taube Ohren, entzündete Sitzfleischbatzen und geistige Aussetzer
in diesen Tagen einer genauen Anamnese durch den Fachmann bedürfen.
Wenn einem plötzlich rabenschwarz vor Augen wird, kann das tausend
Ursachen haben, nicht nur psychische, hormonelle oder antikapitalistische.
Zur Vermeidung von Blutarmut und Kreislaufschwäche fordert etwa
Winfried Kretschmann von der Katholischen Kirche die Lockerung
des Kondomverbots auf allen Radfahrwegen im Südwesten. Damit
will die rot-rüne Landesregierung wie versprochen zu gesteigerten
Erotisierung des Fahrradverkehrs in Baden-Württemberg beitragen.
Die Capriohalter der Union (CDU) und die Sportgeländewagenlobby
(435 PS, kein Aschenbecher, ein Babysitz) lehnen hingegen den
vehementen Ausbau der Radwege ab und sprechen von ideologischem
Blendwerk. Die Helmpflicht als optisches Verhütungsmittel entspreche
nicht der ästhetischen Würde des Menschen, weil es die Zeugung
von Frühlingskindern auf Beifahrersitzen verhindere.
Was
einem bleibt in diesen schwindelerregenden Zeiten? Krokusse
auf Verkehrsinseln, schmelzende Osterschokoeier, und die Sonnenfinsternis.
Ein bewegendes Naturerlebnis, das wildfremde Menschen auf Parkplätzen
und Wiesen zusammenbringt. Man wartet und starrt auf den Himmel
wie auf einen Bankenturm. Plötzlich schiebt sich ein gigantischer
Stinkefinger über die gleissend helle Sonnenscheibe. Man lacht.
DIe Augen brennen, Es juckt. Dann wird`s zappenduster. Der Lenz
ist da.
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