Nach dem Exzess warten Reue,
Schmerz und Flatulenzen. Alle Jahre wieder spannt und zwickt
es an allen Stellen, von derer Existenz man nie wusste. Von
irgendwoher bläht es gewaltig, zurzeit meist von rechts aussen
in der Mitte. Unsere Wohlstandsgesellschaft war ja ganz ausser
sich, unheimliche Volkskörperdemonstrationen wälzten sich wochenlang
durch die festlich illuminierten Fussgängerzonen. Man konsumierte,
kritisierte und konstenierte wie von Sinnen. Viele kämpften
dabei gegen irgendetwas Vermeintliches: Gegen das Ersparte,
gegen die Überfremdung, gegen soziale Abstiege, gegen gleichgeschaltete
Medien, gegen die Islamisierung des Spätabendlandes. Geisterbeschwörungen.

Und
nun? Frei nach Bertold Brecht kommt erst die Scheinmoral, dann
das Fressen, schliesslich die geistige Verstopfung. Kommt das
letzte Aufgebot gegen die Reste eines unfassbaren Festgelages.
Aus Badspiegeln gucken einen konturlose Fratzen an. Aus Leib
gewordene Erinnerungen an dampfende Entenkeulen, so glänzend
wie die umherschlackernden Damenschenkel in der "Helene
Fischer Show", Speckknödel monströs und unverdaulich wie
die neokonserative Popanz, giftig-süsse Zuckerstangen fast so
lang wie ein Dresdner "Pegida"-Umzug. Nichts gegen
bunte Umzüge und lustige Fahnen, aber die Grammatik muss schon
stimmen. Andauernd hört man irgendwelche Typen "Wir sind
das Volk" aus der Glotze skandieren, und man fragt sich,
wen die mit "Wir" eigentlich meinen.
Gegen
diese bedenkliche Personalpronomen-Schwäche und das allgemeine
Schlager-Vollegefühl helfen bekanntlich Fastenkuren, aber auch
ein bisschen Bewegung wirkt Wunder, heisst es. Wie wäre es mit
einem spontanen Verdauungsspaziergang mit Gleichgesinnten? Die
nächste fremdenfeindliche Kundgebung wäre eine kalorienfeindliche
Alternative für Deutschland und alle Faulis, die nach dem jüngsten
Platzchenmassaker im Kreise der Liebsten etwas für ihr Wohlbefinden
tun wollen. Wer partout nicht in der Kälte marschieren möchte
und Anti-Anti-Demos ohnehin für sinnlos erachtet, kann es mit
der Pjöngjang-Diät versuchen. Immer wenn in Nordkorea der heldenhafte
Führer Kim Jong Un sein schönes Haupthaar föhnt, bricht automatisch
für Stunden das Internet des Landes zusammen. Wenn bei uns der
herrliche Landesvater Kretschmann den Interview-Föhn zwischen
den Jahren anwirft, kommt lediglich eine heisse Bürste und die
Aufforderung zum Dialog mit den Ewiggestrigen heraus, was einen
gefährlichen Jo-Jo-Effekt hervorrufen kann. Dieser Vorschlag
ist ungefähr so konstruktiv wie ein Dialog mit dem eigenen Hüftspeck.
Wer entschlacken will, muss hart sein. Kim Jong Un weiss das.
Ohne Internet steigen die Geburtsraten, purzeln die Pfunde und
das Volk schwafelt kein paranoides Zeug mehr wie sonst wo. Ein
Leben ohne "Pegida", Putin, Salafisten, Zalando und
Helene-Fischer-Fotogalerien - diese Vorstellung hätte schon
etwas Selbstreinigendes. Jemand müsste im neuen Jahr einfach
mal den Stecker ziehen.
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