"Maria durch den Dornwald
ging. Kyrie eleison." Genau, Dornwald. Den haben wir. Am
Stand Nummer 54 hinter der Kirche. Unser Dornwald ist beleuchtet
und singt. 13 gängige Choräle, die er sich per Streaming aus
dem Netz zieht. Oder hier, der Gemüsehobel "Winterzauber",
der sich auch in die geballte Faust des Linkshänders einschmeichelt
und jeder Gurke geschmeidig die Haut abzieht.

Technik
und Trance. So etwas gibt es nur auf einem deutschen Weihnachtsmarkt.
Im Lichtermeer der Buden vermählen sich Kulinarik, Kindheitssehnsucht
und die Wirkung zuckerhaltiger Alkoholika zu einer beseelten
Hemmungslosigkeit. Der aus den Buden aufsteigende, von Bratensaft,
Wurstschweiss und Glühweinnebel eingedickte Dampf ist nur noch
mit einem elektrischen Brotmesser zu durchschneiden, das es
für 13,95 Euro an Stand 45 gibt. Auf dem Weihnachtsmarkt wird
der Mensch zuerst zum Kind, dann zu einem weinenden, sabbernden
Wrack. Er sucht Geborgenheit und die Nähe zum Unendlichen. Stattdessen
stösst er im Gedränge an Trauben von Schweizer Touristen, die
sich an einem garantiert ausländerfreien Glühweinfass in den
Armen liegen. Er sieht Unternehmensberater, die angesichts eines
vollbusigen Christkindls aus der benachbarten Büroetage wieder
zum Menschen werden, und Taschendiebe, die unter Punscheinfluss
ihrhe Sünden beichten und am Stand 85 von der Marktaufsicht
exkulpiert werden. Die Augen glänzen und glimmern im Schein
der Joja-Wellness-Kerzen mit 54-prozentigem Mango/Vanille-Anteil.
Doch
in den Weihnachtsmarkt geht man nicht einfach hinein. Wer ins
Herz der Adventserleuchtung vorstossen will, tut gut daran,
Monate vorher Zimtstangen im Handschuhfach seines Autos aufzubahren,
mit einer Schokobanane ins Dampfbad zu gehen und via Skype mit
den drei Weisen aus dem Morgenland über den Fettanteil in Rostbratwürsten
zu fachsimpeln. Wer dabei schludert, muss damit rechnen, dass
seine Magenschleimhaut nach dem Besuch einer Raclette-Küche
zusammenschnurzelt und an Stand 23 von einem medizinisch geschulten
Not-Nikolaus mirt raschen Schnitten ausgetauscht werden muss.

Aber,
es hilft nichts. Da muss man durch. Sind ja alle guter Stimmung,
Stille Nacht, Heilige Nacht, bis es kracht. Spröde Hirnrinden
weichen auf, Zähne beissen knirschend auf gebrannte Mandeln.
Jetzt noch einen Schnaps, wegen der Verdauung und so. Glasiger
Blick auf brandbemalte Speckbrettchen: "Nur Freude, Glück
und Sonnenschein sollen meine Gäste sein." Genau, unser
Motto. Auf den Grills liegen alle Tiere aus dem Stall von Bethlehem.
Lämmchen schmeckt am besten. Und da, weisser Glühwein. Nur mal
kurz den Finger rein. Möchte die schöne Frau vielleicht abschlecken?
Kleiner Scherz. Fettes Essen zwingt den Alkohol in die Knie.
Und lecker ist alles hier.
Jetzt noch
ein Gläschen finnischen Acetonpunsch. Und dann machen wir dieser
GewürMznelke am Stand 78 einen Heiratsantrag. In zehn Minuten
kommt der Weihnachtsengel und löscht ds Licht. Endlich.
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