Liebe junge Zielgruppe!
Hallo Kinder! Auch wenn wir uns nicht sicher sind, ob wir euch
mit unserem papierenen Medium überhaupt noch erreichen. Natürlich
wollen wir auch für euch aus dem Füllhorn der grossartigsten
Nachrichten Schmankerl herausfischen. Doch interessiert euch
das wirklich, wenn wir weltexclusiv über die geheimen Pläne
der CSU-Ortsgruppe Andechs zur Einführung einer Autobahnmaut
für Wirtschaftsflüchtlinge aus Sachsen-Anhalt berichten? Es
gibt begründete Zweifel.

Aus
diesem Grund haben wir uns heute für ein Thema entschieden,
bei dem wir ganz nah bei euch sind. Es ist ein Thema, über das
ihr euch seit Wochen auf allen elektronischen Kanälen das Maul
zerreisst. Es geht, ihr ahnt es, um die blauen Häkchen bei Whats
App.
Da wir in dieser Kolumne auch
mit einem Publikum rechnen müssen, das Whats App für eine k
alifornische Apfelsorte hält, ein paar erklärende Worte dazu.
Whats App ist ein Kurznachrichtendienst, der seine Benutzer
über den Status einer elektronischen Nachricht mittels Häkchen
auf dem Laufenden hält. Zwei graue Häkchen signalisieren dem
Verschicker, dass seine Nachricht angekommen ist. Seit kurzem
färben sich die Häkchen blau, wenn die Nachricht auch gelesen
wurde. Dies stellt viele junge, sensible Menschen vor ein Problem,
neben dem sämtliche Menschheitsseuchen wie ein simpler Schnupfen
erscheinen.

Warum,
fragen sich Millionen Kindsköpfe, antwortet mein Gegenüber nicht,
hat er meine Nachricht doch schon vor anderthalb Minuten gelesen?
Mag er mich nicht mehr? Daddelt er fremd? Das, liebe Kinder,
ist der Punkt, an dem euch unser Doktor-Sonntag-Redaktion-Psychoteam
zur Seite springt. Es ist bitter, wenn man erkennen muss, dass
man gelesen wurde, aber die Antwort nicht in der nächsten Sekunde
da ist. Es ist ein Kreuz mit den blauen Häkchen.
Warum
aber, liebe Kinder, immer gleich das Schlimmste annehmen, an
das Ende einer Freundschaft denken und in tiefe Depression fallen?
Vielleicht war es auch so: Just als eure Nachricht gelesen wurde,
hat der Akku schlappgemacht. Hastig nestelte der Empfänger auf
der Suche nach dem Ladegerät in seiner Jutetasche. Nach 30 Minuten
wird er fündig, dockt das Ladegerät an eine Steckdose, als die
Kernschmelze in einem nahen Kernkraftwerk zu Problemen bei der
Stromversorgung führt. Ein hübsches Horrorszenarium, bei dem
nicht ihr, sondern der Akku und das AKW die Blöden sind.
Wenn
ihr dann irgendwann nicht mehr an die Akku-AKW-Geschichte glaubt,
denkt an Menschen, denen es schlimmer als euch. Denkt an uns.
Tag und Nacht hämmern wir Texte in die Tastatur, von denen wir
überzeugt sind, dass die Welt auf sie gewartet hat. Aber kein
Häkchen verrät uns, ob überhaupt jemand davon Notiz genommen
hat. Schlimmer geht es nur den Autoren von Allgemeinen Geschäftsbedingungen
im Internet. Die kriegen massenhaft Häkchen, obwohl deren Texte,
vom Hausanwalt abgesehen, kein Schwein liest.

|