Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (16. November 2014)
 
Es ist ein Kreuz mit dem blauen Häkchen
 

   Liebe junge Zielgruppe! Hallo Kinder! Auch wenn wir uns nicht sicher sind, ob wir euch mit unserem papierenen Medium überhaupt noch erreichen. Natürlich wollen wir auch für euch aus dem Füllhorn der grossartigsten Nachrichten Schmankerl herausfischen. Doch interessiert euch das wirklich, wenn wir weltexclusiv über die geheimen Pläne der CSU-Ortsgruppe Andechs zur Einführung einer Autobahnmaut für Wirtschaftsflüchtlinge aus Sachsen-Anhalt berichten? Es gibt begründete Zweifel.



   Aus diesem Grund haben wir uns heute für ein Thema entschieden, bei dem wir ganz nah bei euch sind. Es ist ein Thema, über das ihr euch seit Wochen auf allen elektronischen Kanälen das Maul zerreisst. Es geht, ihr ahnt es, um die blauen Häkchen bei Whats App.

   Da wir in dieser Kolumne auch mit einem Publikum rechnen müssen, das Whats App für eine k alifornische Apfelsorte hält, ein paar erklärende Worte dazu. Whats App ist ein Kurznachrichtendienst, der seine Benutzer über den Status einer elektronischen Nachricht mittels Häkchen auf dem Laufenden hält. Zwei graue Häkchen signalisieren dem Verschicker, dass seine Nachricht angekommen ist. Seit kurzem färben sich die Häkchen blau, wenn die Nachricht auch gelesen wurde. Dies stellt viele junge, sensible Menschen vor ein Problem, neben dem sämtliche Menschheitsseuchen wie ein simpler Schnupfen erscheinen.



   Warum, fragen sich Millionen Kindsköpfe, antwortet mein Gegenüber nicht, hat er meine Nachricht doch schon vor anderthalb Minuten gelesen? Mag er mich nicht mehr? Daddelt er fremd? Das, liebe Kinder, ist der Punkt, an dem euch unser Doktor-Sonntag-Redaktion-Psychoteam zur Seite springt. Es ist bitter, wenn man erkennen muss, dass man gelesen wurde, aber die Antwort nicht in der nächsten Sekunde da ist. Es ist ein Kreuz mit den blauen Häkchen.

   Warum aber, liebe Kinder, immer gleich das Schlimmste annehmen, an das Ende einer Freundschaft denken und in tiefe Depression fallen? Vielleicht war es auch so: Just als eure Nachricht gelesen wurde, hat der Akku schlappgemacht. Hastig nestelte der Empfänger auf der Suche nach dem Ladegerät in seiner Jutetasche. Nach 30 Minuten wird er fündig, dockt das Ladegerät an eine Steckdose, als die Kernschmelze in einem nahen Kernkraftwerk zu Problemen bei der Stromversorgung führt. Ein hübsches Horrorszenarium, bei dem nicht ihr, sondern der Akku und das AKW die Blöden sind.

   Wenn ihr dann irgendwann nicht mehr an die Akku-AKW-Geschichte glaubt, denkt an Menschen, denen es schlimmer als euch. Denkt an uns. Tag und Nacht hämmern wir Texte in die Tastatur, von denen wir überzeugt sind, dass die Welt auf sie gewartet hat. Aber kein Häkchen verrät uns, ob überhaupt jemand davon Notiz genommen hat. Schlimmer geht es nur den Autoren von Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Internet. Die kriegen massenhaft Häkchen, obwohl deren Texte, vom Hausanwalt abgesehen, kein Schwein liest.

 

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