Buchmesse Frankfurt. Die
Literaturcontainer in den Messehallen sind zum Bersten gefüllt,
dauertelefonierende Agenten jagen hinter jedem flüchtig aufscheinenden
Talent her, möglichst in Form einer jungen Frau mit Rehaugen
oder eines vollbärtig-verschrobenen Österreichers. Später senden
sie ihre Trophäensammlung an den Heimatverlag und werden dafür
mit neunen Fussmatten für ihren Dienstwagen belohnt. Tausende
mittelloser Autoren irren umher und polstern ihre eingefallenen
Wangen mit Käsehäppchen auf. Verlagsdiktatoren halten Hof, Feuilletonschefs
küssen Kunst-Kurtisanen schmatzend die Hand. Dieses Wimmelbild
des geschriebenen Wortes breitet sich auch vor einem jungen
unauffälligen Mann mit graubraunem Sakko und kariertem Hemd
aus.
Er heisst Jussi Hämelainen und
kommt aus Finnland, dem Partnerland der Buchmesse. Die Partnerschaft
mit der literarischen Leistungsschau aus Frankfurt hat das kleine,
in wohligen Nebel von Alkohol und Sibelius vor sich dahin dösende
Land aus seinem sommambulen Inseln gerissen. Partnerland der
Buchmesse! DIe Begeisterung im finnischen Kulturministerium
war grenzenlos. "Das ist ja ... wir kommen ganz gross raus!"
- "Aber, wer schreibt bei uns? Und was?" Autoren mussten
beschafft werden. Tags darauf streiften Regierungsspäher durch
endlose Wälder, tranken sich durch die Bars mürber Kleinstädte,
hockten an den Torffeuern Nordkareliens, in den Zelten der Lappen
und sammelten Menschen ein, die des Schreibens mächtig sein
schienen - auch wenn sie nur ihre Adresse aufs Etikett einer
leeren Wodkaflasche gekritzelt hatten.

Jussi
Hämelainen ist einer von ihnen. Er war mit dem philosophischen
Traktat "Elch und Ich" hervorgetreten, das im Volksbildungsheim
von Povijärvi verlesen wurde und auf frenetische Begeisterung
stiess. Hämelainen gilt als Vertreter der baumlosen Moränenliteratur,
die sich thematisch in den Steppen der des Nordens verorten
lässt, aber nicht weiss, was sie dort tun soll. DIe ersten Gespräche
mit Agenten in Frankfurt verliefen ermutigend: "Finnland,
Finnland. Also für mich ist das Sauna, Alkohol und betrunkene
Skispringer. Und Tango, klar! Mal überlegen ... also analog
zu diesem Hundertjährigen, den mir das Schwein von Konkurrenzverlag
weggeschnappt hat. Arbeitstitel: Der 40-jährige Skispringer,
der von der Schanze fiel. Und Krimis. Die Schweden machen's
doch auch, Herrgott!"
Hämelainen
notiert eifrig die Stichworte, gibt aber zu, einen Skispringer
nich zu kennen. "Wird schon, wird schon ..." Der Agent
klopft ihm auf die Schulter: "Bäume für Papier habt ihr
ja genug, hehe." Dann wirft er Hämelainen zurück in den
Literaturhexenkessel. So wie er streifen viele Männer und Frauen
aus dem Land der ewigen Dunkelheit durch die Messehallen. Wenn
auch nur die Hälfte von ihnen zurückkehrt und der Schreibwarenladen
in ihrem Heimatdorf geöffnet hat, dann ist bald mit einer Flut
finnischer Baum-und-Borken-Literatur zu rechnen.
|