Ein Land trocknet. In ganz
Deutschland schauten die Menschen diese Woche misstrauisch zum
Himmel, betrachteten das sich langsam aufhellende Grau, gossen
Wasser aus den Gummistiefeln, holten ihre Haustiere aus den
Anglerhosen, schmierten die runzeligen Hände ihrer Kinder mit
Lebertranöl ein und strichen gedankenverloren über die Schwimmhäute
zwischen den Zehen ihrer Liebhaber und Gespielinnen.
Der
Monsum, jener gnädige Regen, der das Land in den Sommermonaten
in einen fein gewebten Teppich aus Schlieren, Nieselzeugs und
Sprühnebel hüllte, machte unversehens eine Pause. Meterologen
rätseln noch über die Ursachen. Womöglich ist ein in China zu
lange in Betrieb genommenes Reisebügeleisen schuld, vielleicht
aber auch die dumpf aufsteigende Hitze aus einem Stammlokal
der Alternative-für-Deutschland. DIe Deutschen wussten zunächst
nichts mit der jähen Trockenheit anzufangen. Grossstadtbewohner,
die sich während der Regenzeit in schimmernde Seehundparkas
gehüllt hatten, reagierten am schnellsten und liessen sich beim
Barbier den von Seetang und Muscheln bevölkerten Vollbart stutzen.
Passanten beobachteten, wie die braunen Fluten verloren geglaubte
Autos, Fahrräder, Lebenspartner und Festzinsanlagen entliessen.
Experten warnen vor massenhaft austrockenden Gehirnen und Einbussen
bei der Schimmelmaisernte. Klimaforscher rechnen damit, dass
Deutschland wegen der raschen Trocknung auf ein Drittel seiner
Grösse zusammenschnurzelt.

Als
hätte der Monsum nicht schon genügend Schäden angerichtet. In
Niedersachsen versank ein Schützenverein bis zum Hals im Wasser,
es kam zu Fehlschüssen gegen Tiere, Zuwanderer und Freikirchler.
Bei einem pfälzischen Weinfest kam es zu Tumulten, weil das
Dekolleté der lokalen RIeslingskönigin in den Zustand der Feuchtigkeitstranzparenz
überging. Aus einem Sumpf nahe Erfurt wurden die Reste der FDP
geborgen. Sie sollen jetzt behutsam getrocknet werden und gehen
ins Haus der Geschichte nach Bonn. In Brüssel blähte sich der
eurokratische Wasserkopf (Hydrocephalus eurokratiae) über das
normale Mass hinaus auf und brachte die Statik der Gemeinschaft
ins Wanken. Teile des Palais Berlaymont schwammen auf und treiben
jetzt führungslos durch den Kontinent.
Nur
jene verschwiegende, still an der Grossstadthast vorbeiträumende
Spezies der Pilzsammler jubelt innerlich. An durchfeuchteten
Bushaltestellen, in aufgegebenen Bürofluchten der Investmentbanken,
im Parlament und auf öffentlichen Toiletten spriessen Parasole,
Krause Glucken, Hexenröhrlinge und Herbsttrompeten, die liebgewonnenen
Kameradie des Sporen-Fetischisten. Pilze gelten schon jetzt
als die neuen Golden Retriever, tauchen in immer mehr eingetragenen
Partnerschaften auf, engagieren sich sozial und machen den Führerschein.
Dies ist alles in Gefahr, weil Meterologen doch noch mit einem
Jahrhundertsommer rechnen. Es gilt das Dichterwort: Wer jetzt
keinen Pilz hat, findet keinen mehr.
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