Er kann ja so schön sein,
der September.Zum meteorlogischen Beginn des Herbstes werden
die Tage kürzer, die Nächte schlafloser, die Fruchtfliegen frecher.
Man rückt wieder enger zusammen.
Traditionell
ist es die Zeit der Weindörfer, Waffenlieferungen und Wählerwanderungen.
Bei Almabtrieben werden bunt geschmückte Stimmviecher und gedemütigte
FDP-Abgeordnete von ihren illusorischen Höhen und Landtagsausflügen
zurück in die Täler der Tränen getrieben, was für alle ein Heidenspass
ist. Und das nicht nur im Osten.

Auch
steht demnächst die Bekanntgabe der Shortlist des Deutschen
Buchpreises an. Ein archaisches Ritual, so wirr und elektrisierend
wie Martin Walsers Augenbrauen. Die Spannung steigt ins Unermessliche,
ähnlich dem Blutdruck eines deutschen Kleinsparers, wenn er
den Namen Draghi vernimmt. Nicht nur gut bezahlte Bücherwürmer
und Aktenfresser fragen sich angesichts der zahllosen Zinssenkungen,
Longlists der reichsten Deutschen und sonstigen Neuerscheinungen
auf dem Alt- und Wertpapiermarkt: Wer soll das alles überhaupt
intellektuell und finanziell verkraften? Unser preisgekröntes
Redaktions-Feuilleton hat deshalb beherzt in die Grüne Tonne
gegriffen und präsentiert die wichtigsten Lektüreempfehlungen
zum Herbst.
Da wäre zunächst das vielversprechende
Debüt der Heimatdichterin Christine Hau. Ihr 17-bändiges, in
bayrischen Alexandrinern geklöppeltes Versepos beschreibt die
Affäre einer Kanzleichefin mit einem schüchternen Modellauto.
Spät bemerkt die Heldin, dass beim Verkleben der Vordersitze
die Handbremse vergessen wurde. Das Nachwort hat der Klöppelpoet
Horst See von Hofer verfasst. Zärtliche, wortlose Kunst. Erhältlich
auf Deutsch und Katholisch.
Das neue
Ich-Drama von Francois Ollande ("Je") hingegen liest
sich schnell und ätzend wie die Fluchtwegbeschreibung in einem
Pariser Bordell. Der kaltschnäuzige Franzose mit dem irren Blick
inszeniert sich in kühlen Metaphern als eine frauenmordende
Herrenbrille (randlos). Doch im letzten Akt wird das dauererrigierte
Gestell vor dem Elysee-Palast von einem rachesüchtigen Stöckelschuh
dekonstruiert. Ab 21.

Mario
G. Omez liefert in "DIe Angst des Stürmers vor dem Strafraum"
das bedrückende Psychogramm eines ehemaligen Star-Kickers, der
unter Amnesie leidet. Statt Tore für seine Mannschaft zu schiessen,
kuschelt er immer öfter mit gegnerischen Torpfosten oder führt
Gespräche mit seinem üppigen Haupthaar. Ein leiser Text voller
Anspielungen und liinguistischer Fehlpässe. Leider hat der Autor
auch alle Kommaregeln vergessen.
Zum
Schluss noch ein Tipp für die Fans der feinen Kriegsprosa. Frank-Walter
Eiers luzider Essay "Aus dem Westen was Neues" ist
seit Goethes "West-östlicher Divan" sowie Heckler
und Kochs Gebrauchsanleitung für das Sturmgewehr G 3 das Abgründigste,
was die deutsche Literatur hervorgebracht hat. Jedes Wort ein
Treffer. In diesem Sinne: Viel Spass beim Schmökern!
|