Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (24. August 2014)
 
Die Flecken unserer Tage
 

   Sie sind überall, verfolgen uns hartnäckig und stören unser ästhetisches Empfinden. Gemeint sind nicht die zahllosen hörgeschädigten Akkordeonspieler in deutschen Fussgängerzonen, die ihre musikalische Folterausbildung vorzugsweise auf Schrottplätzen und Hühnerhöfen in den Karparten genossen haben. Nein, die Rede ist vielmehr von Flecken aller Art, die der Mensch zeitlebens zu entfernen versucht, die sichtbaren wie die anderen. Dabei ist dem Bekleckerten jedes chemische Mittel recht, um einen vermeintlich makellosen Urzustand herzustellen. So litten die Thüringer Verfassungsschützer offensichtlich viele Jahre an einem ziemlich grossen Fleck im rechten Auge, weswegen sie die ekelhaften, tiefbraunen Stellen in ihrer angeblich blütenreinen Weste erst nicht sahen und schliesslich mit einem ätzenden Lügengewäsch ausbleichen wollten.

   Doch die jahrtausendalte Geschichte verpfuschter Fleckentfernungen zeigt, die Mühe lohnt sich nicht. Ob während der fleckenintensiven Pubertät oder im parlamentarischen Untersuchungsausschuss - früher oder später gelangt die peinliche Schmutzwäsche ans helle Tageslicht, selbst dann, wenn das August-Himmelsblau mit graukalten Wolken besprenkelt ist.



   Schon deswegen ist das Versprechen der Bundesregierung, man werde die bösen weissen Flecken auf der digitalen Deutschlandkarte baldmöglichst ausmerzen, kaum mehr als ein trüber Witz. Kein geringerer als Alexander Dobrindt, seit Ende der analogen Zeit der grösste Ausputzer, Vignettenkleber und Fleckenteufel der CSU, will nun jedes Kaff, jedes Funkloch zwischen Friesland und dem Schwarzwald mit schnellstem Internet beglücken. Der ersehnte Aufbruch ins gelobte Neuland, von dem einst die Kanzlerin letztlich höchstselbst sprach.

   Ein fatales Vorhaben. Sind es nicht gerade diese zauberhaften Orte ohne Anschluss und digitales Störfeuer durch NSA und NSU und IS und IT und VfB und ALS, die uns noch von einer heilen Welt träumen lassen? Von einer entschleunigten Provinz, in welcher der Ladebalken auf dem Bildschirm ungefähr so lang ist wie das Eselsgesicht eines Grossstadthipsters, der beim Ausflug ins Grüne mal nicht ins Netz kommt? Was gibt es hübscheres als weisse Flecken am Himmel in Schäfchenform? Milchkrönchen auf den Lippen einer schönen Frau, die an einem verregneten Sommertag an ihrem Cappuccino nippt. Wutschäumende Erstligatrainer, nachdem sie in der ersten Pokalrunde gegen einen Drittligisten ausgeschieden sind.

   So gesehen sollte man sich nicht aufregen, wenn mal wieder etwas danebengeht. Gegen das miese Wetter, taube Akkordeonspieler, eingetrockenete Seelenflecken und all das Unglück dieser Tage helfen weder Eiswasserduschen aus Eimern, weder die CSU noch seifige Glossen. Sollten Sie bei dieser Lektüre vor Empörung aufs Sonntagshemd gesabbert haben, reiben Sie nicht! Finger weg vom Salzstreuer! Lassen Sie es fliessen! Schauen Sie zu, wie sich der Stoff allmählich vollsaugt. Schliessen Sie Freundschaft mit Ihrem Fleck. Das hilft. Und nur das.

 

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