Omne animal post coitum
triste - Jedes Lebewesen ist nach dem Liebesakt traurig. Dieser
von melancholischer Weisheit durchtränkte Satz, der einem DFB-Poeten
aus dem Umfeld von Hansi Flick zugeschrieben wird, beschreibt
das deutsche Gemüt der ersten Woche nach Rio. Menschen, die
eben noch die Vorlagenstatistik eines honduranischen Mittelfeldspielers
fehlerlos herunterbeten konnten oder die Nationalhymne von Kamerun
mit einer Buschtrommel nach a-Moll transponieren konnten, tauchten
wieder ein in die Tristesse ihres verluderten Kleiderschranks,
in die Traurigkeit einer im Pfützenwasser schwimmenden Schlandflagge
und musterten grüblerisch jenes Grillwürstchen, das am Tage
des Finales im Zustand der Erregung gegen den Fernseher geschleudert
wurde (es muss der Moment des verweigerten Platzverweises gegen
Agliero gewesen sein) und dort kleben blieb.
Die
ersten Tage nach der Nacht von Maracana waren noch der Exegese
gewidmet, Sätze des Bundestrainers, formuliert in Jogisch, jener
schwer zu übersetzenden Melange aus massiven Sch-Lauten und
rhytmischen Durchschnaufen, wurden wie Kleinodien durch die
Presse gereicht. Einstige Zweifler und Skeptiker zeichneten
den Weg ins Finale in makelloser, sich selbst erfüllender Folgerichtigkeit
nach. Natürlich und nach Abwägung aller Parameter, so die Ex-Post-Expertise,
konnte es letztlich keinen Zweifel an dem Finalsieg der Mannschaft
in Rio geben. Man hatte dem Trainer ja lange genug erklärt,
wie er die Mannschaft aufzustellen hätte.

Zugleich
erreichte der Fussball auch entlegene gesellschaftliche Eliten.
Die Wundmale im Gesichte Bastian Schweinsteiger, gerissen von
blutgierigen Gauchos, fanden umgehend Eingang in die Kunstszene
(Pencks Skulptur "Schwein, i stürzend" wurde in London
von einem Sammler für 34 Millionen Paninibilder ersteigert).
Das Romanfragment Götzendienst von Martin Suter erstürmte die
internationale Bestsellerliste.
Aber
Mitte der Woche war es dann doch vorbei. Im Fifa-Tempel kehrte
Normalität ein. Die Geldspeicher des Weltfussballverbands, wie
nach jedem Turnier unter gewaltigem Druck, wurden durch Auszahlungen
entlastet, Ergebenheitsadressen entgegengenommen, Korruptionsberichte
kichernd abgeheftet, die Karawanen mit Schmuck, Jungfrauen,
Gewürzen und Torwarthandschuhen hinaus in die Welt geschickt,
um bei aufstrebenden Armutsstaaten und Despotien für die Ausrichtung
kommender Turniere zu werben. Die sich lichtenden Twitterwolken
gaben den Blick frei auf die feinen Haarrisse in den Fussballtempeln
Brasiliens, die bis zu Olympia mit Zahnpasta zugeklebt werden.
Nur
die Auftritte der rhombusschlagenden Kanzlerin erhoben sich
über die postfinale Niedergeschlagenheit. Beobachter schwören,
dass bei den Auftritten Merkels auch nach Tagen ein wenig von
jenem viril-schwülem Dunst aus der Umkleidekabine der deutschen
Mannschaft in die Bundespressekonferenz waberte. Beweisen lässt
sich das aber nicht.
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