Es ist höchste Zeit für
eine Liebeserklärung an ein verkanntes Tier, den gemeinen Maulwurf.
Talpa europaea bildet mit seinen Artgenossen eine Säugetierfamilie
aus der Ordnung der Insekten- und Aktenfresser. Diese fleissigen
Buddler vertilgen mit Vorliebe ferngesteuerte Regenwürmer und
halbverrottete Dienstgeheimnisse, wobei sich im Verdauungstrakt
erlegter amerikanischer Exemplare zuletzt auch schmackhafte
USB-Sticks unbekannter Herkunft fanden.
Am
sichersten fühlen sich die lichtscheuen Tiere mit dem unwiderstehlichen
Schlafzimmerblick in der Anonymität ungelüfteter Büros des Bundesnachrichtendienstes.
Ebenso schätzen sie den Morast in sperrangelweit geöffneten
Schlüsselministerien sowie den Geranienkübel auf dem Kanzleramtsims,
wo sie tagein, tagaus mit ihren Schaufelhändchen das Fundament
unserer nationalen Sicherheit aushöhlen.

Seine
besten Tage hatte der Maulwurf zweifelsohne im Kalten Krieg,
als in der Bonner Republik eine Stallwächterparty nach der anderen
stieg. Dabei kamen dem Maulwurf sein wortkarger Flachschädel
sowie der flinke Rüssel zugute, mit dem er zum tradionellen
Dämmerschoppen in der baden-württembergischen Dependance Unmengen
hochsensibler Daten, rösche Würste und flaschenweise Trollinger
wegschlürfte.
Der Maulwurf wusste zu
gefallen. Einerseits kam ihm zugute, dass er gleichermassen
vorwärts wie auch rückwärts kriechen kann, was im weitverzweigten
Gangsystem einer mittleren Beamtenlaufbahn ungemein karrierefördernd
ist. Anderenseits kam sein dichtes, seidiges Fell besonders
gut bei den naiven Vorzimmerkäfern der Bonner Republik an, die
bald dem Charme seiner unterirdischen Herrenwitze erlagen und
sich willig von den erotischen Tasthaaren ausspionieren liessen.
Die wertvollen Nachrichten, die der Maulwurf zutage förderte,
waren der fruchtbare Humus des 20. Jahrhunderts, inspirierten
Freund und Feind, West und Ost, Baumeister (Villa Hügel) und
Filmemacher ("Der Spion, der aus der Tiefe kam.").

Doch
wie so viele Geschöpfe auf unserer Erde hat der Mensch auch
diesen possierlichen Kerl durch übereifriges Vertrauen in demokratisch
gewählte Parlamente und den rücksichtslosen Gebrauch von Alkohol
in der freien Natur (Bierschwenne, Public Viewing) so gut wie
ausgerottet. Die meisten Maulwurfshügel sind seit dem Fall der
Mauer verwaist oder hoffnungslos überdüngt mit Nitraten deutscher
Bauerngülle. Es folgten sinnlose EU-Verordnungen, Arbeitslosigkeit,
die üblichen Schlechtwetterdepressionen im Juli sowie eine fatale
Verflachung des intellektuellen Niveaus - hügellose Fussballrasen,
wohin man blickt.
Manch ein hübscher
Maulwurf konnte sich noch eine Zeit lang als Armani-Model über
Wasser halten, andere zog es in die Bauwirtschaft. Ein besonders
gefrässiges Exemplar mit trübem Tunnelblick schabt nun die Verbindungsröhre
zum neuen Stuttgarter Bahnhof aus. Was für ein würdeloser Abgang
eines einst stolzen Tieres.
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