Ein Kontinent atmet auf.
Der Europawahlkampf ist zu Ende. EU-Politiker dürfen die ungewohnte
Sphäre der Fussgängerzonen verlassen und in ihre verschwiegenen
Kabinette zurückkehren. Wir blicken zurück auf die Stätten der
Schlacht um Europa.
Anfang der Woche
auf einem Marktplatz in der Oberpfalz: Ein Europaabgeordneter
der Dings-Partei, wie heisst die noch mal, na, wir kommen noch
drauf, erklärt Schülern die "EU-Richtlinie zur Restruktierung
der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von
Energieerzeugnissen und elektrischem Strom, CELEX-32008L0096".
"Es geht um eure Zukunft, um die Energiesicherheit von
morgen", ruft er, und ein messianisches Leuchten verklärt
seine in den Feinschmeckerlokalen Brüssels sumpfig gewordene
Psychiognomie. "Irgendwann", schliesst er, "werdet
ihr für eure Smartphones, Notebooks und Nasenhaartrimmer nur
noch einen Ladestecker brauchen." Er wiederholt staccatohaft:
"Ein-en-Lade-stecker-ein-en-Lade-stecker." Die Schüler
stimmen begeistert ein: "Ladestecker! Ladestecker!"
Im Himmel leuchtet das Hologramm eines Ladesteckers. Er sieht
aus wie Viktor Orban, der sich in der Nase bohrt.
In
Brüssel bereitet sich ein junger und hoch qualifizierter Simultanübersetzer
auf jene Parlamentarier vor, die demnächst die Flure des Europaparlaments
bevölkern werden. "Ah, das Wahlprogramm der Rechtspartei.
Also, die Schlüsselwörter sind schwul, Jude und pervertierte,
dekadente Eurokratie. Wird nicht einfach, das vom Ungarischen
ins Finnische zu übersetzen, Vor allem, wenn die beim Reden
so spucken."
In Deutschland greifen
altgediente Politiker auf das Besserwissen vieler Jahrzehnte
zurück. Der grüne Ex-Aussenminister warnt vor Verschuldung:
"Wenn Maasricht fällt, ist alles im A..." Ein Zuhörer
wagt den Einwand, der Ex-Minister habe damals selbst die Kriterien
... "Pah!" Wegwerfende Handbewegung "Wir wussten
damals gar nicht, wo Maastricht liegt." Im Altkanzler-Bungalow
geht es um Krieg und Frieden. Noch einmal erhebt der Koloss
von Oggersheim die Stimme: "Ohne die EU ist der Krieg ums
Elsass nur eine Frage der Zeit", orakelt er vor schaudernden
Anhängern. Im Uraltkanzler-Bungalow in Hamburg murmelt jemand
etwas von "grössenwahnsinnigen Eurokraten, die sich in
alles einmischen". Der Rest geht in einer Rauchwolke unter,
die gegen die "Richtlinie 30 des Rates von 1999 über Grenzwerte
für Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid und Stickstoffoxide, Partikel
und Blei" verstösst. In Luxemburg sitzt der Spitzenkandidat
der Konserativen, ein distinguierter Mann, gedankenverloren
vor dem neuen Reiseführer "Europäische Hinterzimmer für
Kettenraucher", "2000 Seiten, Donnerwetter! Und ich
dachte, ich kenne sie alle."
In
Griechenland hat es derweil die schöne Königstochter Europa
geschafft, sich aus Zeus' Klauen zu befreien und dan Land zu
schwimmen. Sie wird sofort von den Beamten der Grenzsicherung
"Frontex" festgenommen.
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