Seit Jahrhunderten existiert
eine grosse Bewunderung für für Russland. Viele Deutschen träumen
von einer romantischen Schlittenfahrt an den Baikalsee oder
einer Heirat mit einem Oligarchen. Zwar werden offizell gewisse
Entscheidungen in Moskau kritisiert, doch heimlich brennt überall
die Sehnsucht nach einer starken Persönlichkeit wie ein Schluck
gestreckten Wodkas in der Kehle.
Ivan
der schreckliche, Ivan der Blutrünstige oder auch Ivan Rebroff
- Russlands prinzipientreue Männer gingen stets ihren Weg, sie
liebten und folterten ihr Volk, küssten und schlugen sich ohne
Rücksicht auf Sanktionen oder Herpesvieren. In dieser heldenhaften
Tradition stehen nun auch Naturburschen wie Wladimir Tyrranowitsch
Putinski, welche wegen ihrer klaren Haltung zu verspiegelten
Sonnenbrillen und Homosexuellen hierzulande immer mehr Verehrer
findet. Doch wie lebt so ein Tyrranowitsch privat? Hat er ein
Faible für Stöckelschuhe? Ist er wirklich anders als die anderen
Geschlechtsgenossen, die man hier im verweichlichten Westen
so kennt, typische deutsche Schattenparker wie Wolfgang Joop
oder Joachim Gauck? Der Tagesbuchauszug eines Missverstandenen.

6.37
Uhr: Aufgestanden, eine Liegestütze geschafft. Sehr stolz, aber
auch total verschwitzt. Im Badezimmerspiegel starrt mich ein
stoppliges Gesicht an, halb Conchita Wurst, halb Erdogan. Ekelhaft.
Ausgiebig geweint. Anschliessend dreifache Ganzkörpernassrasur
und Pirogenmaske.
7.15 Uhr: Angela
in Berlin angerufen, sie hebt wieder nicht ab. Niemand liebt
mich. Zum Trost einhundert Oppositionelle verhaften lassen und
Tschalkowskys "Schwanensee" eingelegt.
8
Uhr: Frühstück im Kreise der Lieben. So soll's sein. Wer ist
noch meine Erstfrau? Die Dicke da hinten? Egal. Die Familie
ist Gottes Wunsch. Danach reihum Backpfeifen verteilt und zwei
Müslischalen annektiert.
10 Uhr: Ausgedehnter
Spaziergang mit freiem Oberkörper im Garten. Gänsehaut. Plötzlich
mit den frisch gewachsten Kosakenstiefeln in eine ungenehmigte
Ameisendemonstration getreten. Schwule Neonazis! Sofort Medwedew
über die antirussischen Umtriebe in Kenntnis gesetzt. Vorschlag:
Wasserwerfer und Tränengas. Begeisterte Zustimmung.

12
Uhr: Gottesdienst. Vorn steht so eine bärtige, langhaarige ESC-Transe
in einem Abendkleid und singt krankes Zeug. Die Wurst! Njet!
Raste total aus und beschimpfe die Anwesenden als vulgäre Ethno-Faschisten.
Es gibt Tote und Verletzte. Dann stellt sich heraus, dass die
perverse Heulboje der Pope ist. Tja.
16.24
Uhr: Endlich wieder zu Hause. Puh, was für eine Aufregung. Im
Keller den Gashahn für Ukraine zugedreht. Anschliessend gemeinsames
Wett-Angeln mit der Wachmannschaft. Tolle Typen, muss man schon
sagen. Meine Rute zitterte leider kein einziges Mal. Ein Dutzend
Westjournalisten filzen lassen.
23.29
Uhr: Angela angerufen. Nachricht auf den AB gesprochen. Liebesgrüsse,
auf Deutsch. An Rudolf Nurejew gedacht. Unruhige Nacht.
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