In Strassen, Gärten, Hochhäusern
und politischen Kabinetten herrscht das Chaos. Die warme Witterung
führt zu einem zügellosen Treiben, das Mass und Sittlichkeit
mit Füssen tritt. Deutschland verwandelt sich in ein Biotop,
in dem nur noch pralle Fruchtbarkeit, wimmeliger Erotismus und
faulendes Nichtstun regieren. Zentrum der triebhaftesten Sumpfblüten
ist Berlin. Die dortige Flora wurde bisher von ausgetrockneten
Schattengewächsen und liberalen Bambusstauden bestimmt, die
sich im Wind des Zeitgeistes hin und her bogen. Jetzt dominiert
brünstiges Wachstum. Nehmen wir nur die "Clementis Columbiana
Dobrindt". Sie klettert blitzschnell die Karriere-Ranken
empor und bläst durch Trompetenblätter feinen Innovationsstaub
aus, der bald im Wind verweht.

EIne
andere Kletterpflanze hat sich mit ihren zottelig behaarten
Grifftentakeln im obersten Stock des Berliner Flughafengebäudes
eingenistet. "Hosta Mehdorna" gibt knarzige Geräusche
von sich und entledigt sich der Futterkonkurrenten mit einem
Schlag ihrer Basalgeisseln. Sie ist in der Anschaffung und Pflege
nahezu unbezahlbar und befällt vor allem öffentliche Grossbaustellen,
wo ein kontrollfreies Mikroklima herrscht. Beim Versuch, sie
von der Fassade eines befallenen Baus zu lösen, gehen meist
auch alle anderen Wände zu Bruch. Vorsicht: Wer sie in Gebäuden
ohne Brandschutz anpflanzt, riskiert Verqualmung, die bis zur
Kostenexplosion führen kann.
In der
Formensprache zwischen Passionsfrucht und Avocado siedelt sich
die "Acuacatl Gabrielis" an. Ihr Nährstoffbedarf ist
so gross, dass sie den Bedarf an Kalorien eines Vierpersonenhaushalts
auf Jahre hin deckt. Ihre fotosynthetische Kraft reicht für
mindestens drei Energiewenden. Auf Streicheln durch Arbeiterhände
reagiert sie mit treuherzigem Aufschlag des Blütenkelchs. Ganz
anders das gefürchtete bayerische Bierpflanzerl. Es drückt ungebeten
in das fein ausbalancierte florale Gefüge der Hauptstadt, frönt
einen ungehobelten Fortpflanzungsdrang und bringt das Biosystem
zum Kollabieren. Pflanzen, die es eben noch weiss-blau anstrahlte,
werden, sobald sie ihm den Rücken zudrehen, zur Gaudi gebissen
oder aus dem Beet intrigiert. Wer das Zeug sieht, sollte es
mit dem Zacken-Horst, einem scharfen Titanrechen, ausreissen
und nach Bayern schicken, wo es Experten gibt, die damit umgehen
können. Handschuhe anziehen! Dagegen ist die "Crassula
Hobbit Gröhe" eine gerngesehene genügsame Topfpflanze.
Sie muckelt bescheiden vor sich hin und gewinnt auch einem lichtlosen
Schattenkabinett sonnige Seiten ab.

Das
Wuseln in Politik und Garten führt allenthalben zu Amnesie,
Verschleuderungssucht und LIebesblödigkeit. Der Griff zur Gartenschere
ist unabdingbar. Sparen Sie sich den Weg zum Baumarkt. Gute
Gartenscheren bekommen sie nur noch im Kanzleramt oder im Kreml.
Wer einmal damit anfängt, das ganze Unkraut auszumerzen, kann
nicht mehr aufhören. Da! Am Fenster zeigt sich der Kopf einer
gemeinen Schmerzwurz. Dir werd' ich's ...
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