Obwohl
ich keine Schuppen habe, benutze ich seit kurzem ein Anti-Schuppen-Shampoo.
Es kostet mich jedes Mal Überwindung, denn sowohl der Geruch
dieses Shampoo wie auch sein Aussehen erinnern mich an eine
Rheuma-Salbe, deren Haltbarkeitsdatum längst überschritten ist.
Warum ich das Shampoo dann benutze? Nun, das ist eine traurige
Geschichte. Sie handelt von Süchten.
Fast
jeder fünfte Jugendliche trinkt sich regelmässig in einen Rausch.
Das gab die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung am
Montag bekannt. An diesem Tag wurde zufällig auch meine Tochter
über die diversen Möglichkeiten der Abhängigkeit aufgeklärt.
An ihrer Schule fand für die siebten Klassen der Aktionstag
"Leben ohne Sucht" statt. An so einem Tag werden die
Kinder in Projektgruppen zu starken, suchtfreien Persönlichkeiten
geformt - zumindestens ein bisschen. Zwischendurch gibt es Raucherpausen
für die Erwachsenen.

So
ein Aktionstag hat zur Folge, dass Kinder fortan den unwiderstehlichen
Drang verspüren, ihre trinkenden und rauchenden Väter zu belehren.
Im konkreten Fall drehte ich - sozusagen vorbeugend - den Spiess
um und fragte meine Tochter: "Habt ihr auch über Kaufsucht
geredet?" Sofort war ich in der Offensive, denn meine Tochter
macht zwar beim Komasaufen nicht mit, es gibt aber auch das
Komakaufen. Wenn ich mir das Verhalten meiner Tochter und ihrer
Freundinnen so ansehe, glaube ich, dass es in diesem Bereich
ein spezielles Problem gibt, das schwer unterschätzt wird: Die
Drogerie-Abhängigkeit. Dabei steckt in der "Drogerie"
das Wort "Droge" doch schon drin! Meine Tochter jedenfalls
kann ohne den regelmässigen Kauf von Kosmetik- und Hygieneartikeln
nicht mehr leben. Das Geld dazu zieht sie ihrem allzu gutherzigen
Vater aus der Tasche mit dem Argument, sie sei doch seine einzige
Tochter. Fachleute nennen das Beschaffungskriminalität.
Zum
Kauf angestiftet wird sie durch Videos im Internet, wo trendige
Mädchen fragwürdige Schönheitstipps geben. Vollzogen werden
die Deals auf den bekannten Umschlagplätzen dm, Müller oder
Rossmann. Alles nette Läden mit freundlichen Menschen, aber
keiner fragt, wie es bei uns zu Hause aussieht. Ich sag's trotzdem.

Bei
uns zu Hause stapeln sich im Bad die Fläschchen und Döschen,
die Lippenstifte, Haarbändchen und Klämmerchen. Einen Drogerie-Abhängigen
erkennt man daran, dass unter der Dusche kein Platz mehr zum
Duschen ist. Meine Tochter verfügt über so viele Shampoos und
Spülungen, dass sie damit den Boden des Duschraums einer Fussballmannschaft
problemlos zustellen könnte.
Ich habe
mit meiner Tochter geredet. Wir haben einen Entzugsplan ausgearbeitet.
Sie kauft nur noch das Nötigste (was auch immer das ist), und
ich helfe ihr, die Shampoos aufzubrauchen. Dazu gehört auch
das überriechende Anti-Schuppen-Shampoo, das meine Tochter übrigens
nur aus einem einzigen Grund gekauft hat. Auf der Packung steht
"Neu. Verbesserter Duft!".
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