Neulich im Wald. War mit
meinem Rad unterwegs und alle paar Meter trampelte eine Wildsau
über den Weg. Wildsau sagt man halt so. Ob es wirklich jedes
Mal eine Wildsau war, kann ich nicht beschwören. Ich fahre zwar
mit Licht, es könnte aber auch ein Hirsch, ein Dachs oder ein
Maulwurf darunter gewesen sein. Auf jeden Fall war es saugefährlich.
Ich
habe Verständnis für die Tiere unseres Waldes. Auch im Forst
herrscht Frühling, und die Viecher setzen die Hormone zu. Aber
ein bisschen mehr Rücksicht sollte man als Radfahrer auch in
der Brunft erwarten dürfen. Ich habe auch Hormone und renne
nicht ständig Hirschen vors Geweih.

Von
Hirschen und Hormonen ist es ein Katzensprung zum eigentlichen
Themi der zurückliegenden Woche: Dem Streik unserer Kranich-Piloten.
Natürlich kann man vom Boden aus lang darüber diskutieren, ob
die Besserverdiener der Lüfte nicht ein paar Jährchen mehr draufsatteln
könnten. Aber darum geht es mir nicht. Für mich war der Streik
der Lufthansa-Piloten ein Gewinn, weil es endlich bei einem
Arbeitskampf mal was fürs Auge gab.
Verstehen
SIe mich bitte nicht falsch. Ich nutze die Situation nicht aus,
um als Männerfreund aus der Deckung zu kommen. Einen Streik
von Stewardessen in schicken Kostümchen wäre auch eine Bereicherung,
keine Frage.
In vielen Zeitungsredaktionen
sieht man es genauso. Viele Blätter druckten diese Woche grossformatige
Fotos der Piloten bei einer Demo auf dem Frankfurter Flughafen.
Die Kerle schauten in ihren dunkelblauen Anzügen und den tief
in die Stirn gezogenen Mützen fantastisch aus und entschlossen
drein. SIe hatten ihre Arme vor der Brust verschränkt, als wollten
sie nicht nur ihre Chefs, aondern allen fluguntauglichen Geschöpfen
dieser Erde signalisieren: Heut nehmen wir keinen Steuerknüppel
in die Hand.
Was für Bilder? Was für
Mannsbilder! Und was für ein flugmeilenweiter Unterschied zu
den Streiks, die man sonst so medial geboten bekommt! Wenn die
Dienstleistungsgewerkschaft Verdi ihre Massen zusammentrommelt,
latschen Gestalten in warnwestengrellen Überziehern durch die
Fussgängerzonen, und man kommt sich vor wie bei einer Massenkarombolage
auf der Autobahn.

Falls
die Bilder vom Pilotenstreik nicht täuschen, dann gibt es bei
der Lufthansa nur gut aussehende, schlanke Bilderbuchpiloten.
Nirgendwo war einer mit Wampe oder fliehendem Kinn zu sehen.
Wäre vermutlich der Aerodynamik in der Pilotenkanzel nicht zuträglich.
So kernige Kerle mit markanten Kinnpartien begegnen einem sonst
nur in Comicheften, vermute ich.
Die
Piloten sagen, sie könnten nicht mehr Dienstjahre als bisher
in der Luft absolvieren, da sie übermässiger Strahlung ausgesetzt
seien. Mag stimmen, aber ich bin das auch. Ich gehe drei Tage
die Woche ins Solarium. Damit ich beim nächsten Arbeitskampf
aussehe wie ein Lufthansa-Pilot.
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