Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (06. April 2014)
 
Ein Streik fürs Auge
 

   Neulich im Wald. War mit meinem Rad unterwegs und alle paar Meter trampelte eine Wildsau über den Weg. Wildsau sagt man halt so. Ob es wirklich jedes Mal eine Wildsau war, kann ich nicht beschwören. Ich fahre zwar mit Licht, es könnte aber auch ein Hirsch, ein Dachs oder ein Maulwurf darunter gewesen sein. Auf jeden Fall war es saugefährlich.

   Ich habe Verständnis für die Tiere unseres Waldes. Auch im Forst herrscht Frühling, und die Viecher setzen die Hormone zu. Aber ein bisschen mehr Rücksicht sollte man als Radfahrer auch in der Brunft erwarten dürfen. Ich habe auch Hormone und renne nicht ständig Hirschen vors Geweih.



   Von Hirschen und Hormonen ist es ein Katzensprung zum eigentlichen Themi der zurückliegenden Woche: Dem Streik unserer Kranich-Piloten. Natürlich kann man vom Boden aus lang darüber diskutieren, ob die Besserverdiener der Lüfte nicht ein paar Jährchen mehr draufsatteln könnten. Aber darum geht es mir nicht. Für mich war der Streik der Lufthansa-Piloten ein Gewinn, weil es endlich bei einem Arbeitskampf mal was fürs Auge gab.

   Verstehen SIe mich bitte nicht falsch. Ich nutze die Situation nicht aus, um als Männerfreund aus der Deckung zu kommen. Einen Streik von Stewardessen in schicken Kostümchen wäre auch eine Bereicherung, keine Frage.

   In vielen Zeitungsredaktionen sieht man es genauso. Viele Blätter druckten diese Woche grossformatige Fotos der Piloten bei einer Demo auf dem Frankfurter Flughafen. Die Kerle schauten in ihren dunkelblauen Anzügen und den tief in die Stirn gezogenen Mützen fantastisch aus und entschlossen drein. SIe hatten ihre Arme vor der Brust verschränkt, als wollten sie nicht nur ihre Chefs, aondern allen fluguntauglichen Geschöpfen dieser Erde signalisieren: Heut nehmen wir keinen Steuerknüppel in die Hand.

   Was für Bilder? Was für Mannsbilder! Und was für ein flugmeilenweiter Unterschied zu den Streiks, die man sonst so medial geboten bekommt! Wenn die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi ihre Massen  zusammentrommelt, latschen Gestalten in warnwestengrellen Überziehern durch die Fussgängerzonen, und man kommt sich vor wie bei einer Massenkarombolage auf der Autobahn.



   Falls die Bilder vom Pilotenstreik nicht täuschen, dann gibt es bei der Lufthansa nur gut aussehende, schlanke Bilderbuchpiloten. Nirgendwo war einer mit Wampe oder fliehendem Kinn zu sehen. Wäre vermutlich der Aerodynamik in der Pilotenkanzel nicht zuträglich. So kernige Kerle mit markanten Kinnpartien begegnen einem sonst nur in Comicheften, vermute ich.

   Die Piloten sagen, sie könnten nicht mehr Dienstjahre als bisher in der Luft absolvieren, da sie übermässiger Strahlung ausgesetzt seien. Mag stimmen, aber ich bin das auch. Ich gehe drei Tage die Woche ins Solarium. Damit ich beim nächsten Arbeitskampf aussehe wie ein Lufthansa-Pilot.

 

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