Was ist das Chaos? Was versteht
man unter Fraktalen? Wie bestimmt man die Mandelbrot-Menge?
Welcher normale Mensch kapiert schon die Anlage KAP seiner Steuererklärung?
Zweifellos:
Zahlen sind unendlich faszinierend, weil sie uns stets neue
Perspektiven eröffnen. Nehmen wir mal das Swinger-Schiff vom
Bodensee, das dieser Tage für Aufregung sorgte. Aus moralischer
Sicht ist der Tugendterror des bibeltreuen Lokalpolitikers absolut
nachvollziehbar: Sexorgien auf einem der unerotischsten Binnengewässer
Europas (Blumeninsel, Hesse) sind verdammenswert, schon wegen
des Felchen-Geruchs und der völlig inakzeptablen Kleiderordnung
(Latex, Botox, Kleenex).

Doch
ein Mathematiker entdeckt auf so einem Sexdampfer sofort die
Poesie der kombinatorischen Möglichkeiten. Allein die Tatsache,
dass sechs Personen in einer frivolen Polonaise mathematisch
ausgedrückt "sechs Fakultät", sprich 720 Positionen
einnehmen könnten, ist einfach herrlich. 720 Permutationen -
und danach ein kräftiger Zug aus der Mandelbrotzigarette, das
wäre der Himmel auf Erden, oder nicht? Gerade Ehefrauen, die
sich schon öfters mal gefragt haben, welche Funktion diese schnarchende
Null neben ihnen hat, zeigen sich bei solchen Rechenbeispielen
recht angetan, weshalb der Frühbucher-Rabatt für die "MS
Schwaben" wie auch die Kettenkostüme im Grossraum Konstanz
erfahrungsgemäss schnell vergriffen sind.
Das
Problem an der verführerischen Kombinatorik ist allerdings,
dass sich ausgerechnet willensschwache Personen im Dickicht
der Nummern oftmals verlieren und am Ende selbst zu einer solchen
werden. So hat der geschasste Fussballmathematiker des VfB Stuttgart
rasch kombiniert, das alle Kicker dieses Vereins ungefähr gleich
schlecht spielen, weshalb er bei den Mannschaftsaufstellungen
der letzten Wochen die reine Abstraktion walten liess: Bei elf
Stuttgarter Spielern auf dem Platz inklusive Tormann ergibt
das elf Fakultät oder knapp 40 Millionen verschiedene VfB-Kombinationen.
Was annähernd so viel ist wie die Summe der wirklich guten Witze,
die Harald Schmidt in seiner Karriere als Fernsehzyniker gerissen
hat oder die Einwohnerzahl der Ukraine abzüglich der Krim und
all der durchgeknallten Typen in Uniformen, die kein Mensch
braucht. Mit ein wenig Geduld und der Zuhilfenahme der Stringtheorie
sowie der numerischen Integration natürlicher Bananenflanken
hätte man mit irgendeinem dieser VfB-Kader schon irgendwann
die Meisterschaft geholt - oder zumindestens den sicheren Abstieg
verhindert.

Vergebens.
Der gemeine Erbsenzähler hat weder die Zeit noch Sinn für komplexe
Textaufgaben und kosmischen Zahlenstaub. Stattdessen: Huub,
Huub, hurra! Doch was sind schon ein paar Milliönchen Steuerschulden
angesichts der unfassbaren Permutationen von 500 Swingern auf
der "MS Schwaben"? Und was sind dreieinhalb Jahre
Zuchthaus gegen das ewige Gefängnis der begrenzten Möglichkeiten?
Ein lauer Tropfen im kühlen Bodensee.
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